Der Anfang vom Ende?

12. Spieltag: VfB Hermsdorf – FSV Hansa 07 0:6 (0:2)

Hermsdorf, am vergangenen Samstagnachmittag:Kräftiger Wind peitscht Regen gegen die menschenleeren Zuschauerränge.Die Heizung in der fünf Quadratmeter großen Kabine funktioniert nicht. Das Spiel gegen den VfB Hermsdorf im verwaisten Seebad-Stadion– eine traurige Momentaufnahme der aktuellen Situation beim Tabellensechsten. Rumpelfußball, dein Name sei Hansa. Der Kreuzberger Kurier hat mit Trainer York Wegerhoff gesprochen. Der vierte Sieg in Folge – der Anfang vom Ende? Ein Krisengespräch.

Kreuzberger Kurier: Herr Wegerhoff, Ihre Mannschaft führt nach 16 Minuten 2:0. Zunächst trifft Skog nach einem Pass von Ahlrichts, dann Heinicke mit einem satten Schuss aus dem Sechzehner. Wie erklären Sie sich die wiederholt erschreckend schlechte Leistung Ihrer Mannschaft?

Wegerhoff: Wir haben Probleme, Probleme, Probleme. Die Mannschaft hält sich einfach nicht an die Vorgaben. Es ist schwierig, da noch durchzudringen.

Lauren Kaapcke oder die "gute Miene zum bösen Spiel"

Kurier: Das war zwar heute auf dem Papier ein glatter 6:0 Sieg. Aber Hansa hat zeitweise wie eine Auswärtsmannschaft gespielt. Eine Ballstafette nach der anderen. Die Abwehr um Chefin Kaapcke stand wie eine Eins, unterstützte das Mittelfeld beim Spielaufbau. Anders gesagt: Das kann dem Trainer nicht gefallen haben.

Wegerhoff: Auf keinen Fall. Deswegen bin ich auch sehr laut geworden in der Halbzeit und habe aus meiner Gedicht-Sammlung vorgetragen. So aufzutreten, das ist natürlich nicht unser Anspruch. Wir können von Glück sagen, dass wir noch gewonnen haben. Wir müssen ganz viel ändern. Ganz schnell. Wir haben ja nur die Spielerinnen. Und nicht das Geld, um auf dem Transfermarkt noch mal aktiv zu werden.

Kurier: Welche Optionen sehen Sie da noch?

Wegerhoff: Ich weiß auch nicht so genau. Ich bin im Moment ein bisschen ratlos. Den Lukas Podolski würde ich gerne holen. Aber der ist zu teuer. Und leider keine Frau.

Kurier: Sie sagten eben, dass sie in ihrer Halbzeitansprache deutliche Worte gefunden hätten. Anscheinend ohne Erfolg.

Wegerhoff: Wie gesagt, ich glaube, wir haben interne Probleme. Menschlich und spielerisch. Anders kann ich mir weder das 3:0 durch Skog nach einer Ecke, noch Hansas Offensivgefahr erklären. Die war – Pardon – unter aller Kanone.

Kurier: Neben Abwehr und Angriff fiel auch die katastrophale Leistung des Mittfelds um Weis, Messow und Behre auf. Flache Pässe wurden hier eins ums andere Mal sicher in die Spitze oder auf die Außen verteilt. Spielwitz sieht anders aus.

Wegerhoff: Absolut. Ich sehe Handlungsbedarf. Aber auch hier sind mir die Hände gebunden.

Kurier: Für fragende Gesichter hat auch Heinickes Tor aus 20 Metern zum 4:0 gesorgt.

Wegerhoff: Darüber habe ich mit ihr bereits gesprochen. Dass das so nicht geht, hat sie eingesehen. Das nächste Spiel wird sie sich voraussichtlich von der Bank ansehen.

Kurier: Ihre Torwärtin ist weit über 29. Der Altersschnitt in der Mannschaft ist sicherlich auch ein Problem. Kann sich das eine Mannschaft wie Hansa erlauben?

Wegerhoff: Ich fand, dass Betti das heute sogar ganz ordentlich gemacht hat. Aber auch da habe ich keine Alternative. Ich kann keine Feldspielerin reinstellen. Sie ist die einzige, die wir haben.

Kurier: Ihre Torhüterin hat nach dem 6:0 jubelnd das Tor verlassen. Selbst die linke Verteidigerin Pracht schaltete sich im Spiel nach vorne ein. Behre hat nicht getroffen, Drouin ist angeblich verletzt. Über Cooke heißt es, sie hätte sich nur widerwillig einwechseln lassen. Spielt die Mannschaft da vielleicht schon ein bisschen gegen den Trainer?

Selbst das auf der Weihnachtsfeier tags zuvor gewonnene Los ließ Trainer Wegerhoff, mit Blick auf das Spiel, nicht wirklich optimistisch dreinblicken.

Wegerhoff: Möglich. Möglich. Wie gesagt, ich muss mir die Bilder noch mal angucken. Das war natürlich ernüchternd heute.

Kurier: Noch mal angucken sollten Sie sich auch das Tor von Agbeyegbe zum 5:0: aus vollem Lauf, trocken und flach ins linke Tor-Eck. Das vorherige Zusammenspiel zwischen ihr und Kanter – mehr Glück als Verstand.

Wegerhoff: Aber da sehe ich nicht nur die Schuld bei Agbeyegbe. Kanter, Skog, Ahlrichs. Die haben mir heute alle nicht gefallen.

Kurier: Ein Blick in die Statistiken macht Hansas Standardschwäche deutlich. Immer öfter fallen Zufallstore nach Ecken oder Freistößen. In der 87. Minute pariert Hermsdorfs Torwärtin Behres Freistoß aus 24 Metern, aus halbrechter Position, mit ihrem linken kleinen Finger. Zwei Minuten später, nach einer Behre-Ecke, steht Weis überraschend richtig und trifft per Volley zum 6:0 Endstand.

Wegerhoff: Traurig, aber wahr.

Kurier: Nächste Woche geht es gegen Spandau. Wie sehen Sie da ihre Chancen?

Wegerhoff: Chancen. Machen Sie Witze?

Kurier: Herr Wegerhoff, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Aufstellung: Keese, Pracht, Kaapcke, Trzewick, Drouin (30. Cooke), Weis, Messow, Behre, Skog (64. Kanter), Heinicke, Ahlrichs (60. Agbeyegbe)

Tore: Skog (10., 48.), Heinicke (16., 73.), Agbeyegbe (79.), Weis (89.)

Spielerin des Spiels: Lauren Kaapcke, die mit ihrem überzeugenden Auftreten als Abwehrchefin die Viererkette bestens organisierte, das Spiel ruhig mit genauen Pässen ins Mittelfeld aufbaute und dafür sorgte, dass die Gegenerinnen in der zweiten Hälfte nicht mehr in die Nähe des Strafraums kamen.

Johanna B.

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