Der Ball, der Frühling und ein Sieg

1.E-Jugend: FSV Hansa 07 – NSC Marathon 02 2:1 (0:1)

Feste muss man feiern, wie sie fallen, und wenn im Verlauf der bisherigen Saison der ersten E-Jugend auch viel gefallen sein mag, Feste waren es eher selten. Da sich außerdem so ein Siegbericht viel leichter schreibt, als die Vermeldung einer Niederlage, findet sich hier nun als absolute Weltpremiere, live und exklusiv, die Schilderung des zweiten Saisonsiegs der E1.

Berlin, der 2.April 2011 – der Frühling schien nun endlich ernst zu machen und seine schon lange gegebenen Wetterversprechungen endlich einlösen zu wollen und eine zarte Andeutung des Geruchs des Sommers, dieser unverwechselbaren Mischung aus Gras, Gras und gegrillter Knoblauchwurst, legte sich sanft auf die Stadt.

Doch in den Katakomben der Wrangelritze war die Stimmung alles andere als frühlingshaft.

Nach drei Niederlagen in Folge und nur vier Punkten aus zehn Spielen fand sich die erste E-Jugend im Tabellenkeller wieder und deren Trainerteam scharfer Kritik ausgesetzt. Zwar hatte Vorstand Haberecht noch unter der Woche angekündigt, auf jeden Fall am Trainerstab festhalten zu wollen, doch gilt es mittlerweile als offenes Geheimnis, dass Nachfolger spätestens für die nächste Saison bereits fieberhaft gesucht werden.

Auch die Stimmung im lange ruhig und sachlich gebliebenen Fanlager war nach den zuletzt desaströsen Ergebnissen gekippt, und so fand sich nun doch schon das ein oder andere “Trainer raus”-Transparent in den Zuschauerrängen der Wrangelritze.

Zwar hatte das Trainerteam ganz im Sinne eines Jürgen Klinsmanns stets betont, dass sich die Mannschaft auf einem guten Weg befinde und stetig verbessere, das sich fußballerischer Fortschritt eben nicht unbedingt im Ergebnis niederschlagen müsse, und dass man absolut überzeugt von der Richtigkeit des eigenen Tuns sei, aber die Anspannung vor dem wichtigen Spiel am Samstag gegen den NSC Marathon, gegen welchen man in der Vorrunde den bisher einzigen Saisonsieg geholt hatte, war den Verantwortlichen dann doch deutlich anzumerken.

Und auch wenn das Hinspielergebnis von 7-1 durchaus Anlass zum Optimismus gab, so wurde eine gewisse Skepsis schon allein dadurch begründet, dass sechs der damals sieben Tore von Yannick erzielt worden waren, dem Topstar, der in der Winterpause für eine unbekannte Summe – Insider sprechen von einem zweistelligen Millionenbetrag – zur Konkurrenz nach Treptow gewechselt war.

Hansa begann mit dem in der Rückrunde zum Standard gewordenen 3-2-1-Tannenbaumsystem, und der Mannschaft war der gute Vorsatz, endlich mal wieder einen Erfolg einfahren zu wollen, deutlich anzumerken. Auch wenn die Jungs in Gelb nur schwer ins Spiel kamen, wurde von Anfang an versucht, Druck auf den Gegner auszuüben. Die neu formierte defensive Dreierkette rückte bis tief in die gegnerische Hälfte vor, und so kam es, dass der Ball nach einem Befreiungsschlag einen Stürmer Marathons völlig verwaist in der Hälfte der Hanseaten fand, so dass dieser nur noch wenig Mühe hatte, den herauseilenden Torwart Lukas zum überraschenden wie unverdienten 0-1 zu überwinden. Fassungslosigkeit ergriff Fans und Trainerstab, die Mannschaft auf dem Feld drängte aber unbeeindruckt weiter nach vorne, und auch ein vom Eishockey inspirierter Blockwechsel änderte nichts an der Überlegenheit der Heimmannschaft. Das Geschehen spielte sich beinahe ausschließlich in der Hälfte der Neuköllner Dauerläufer ab, dennoch konnten sich Hansa nur wenig gute Torchancen herausspielen, um diese dann kläglich zu vergeben, so dass man beinahe glücklich über den 0-1 Halbzeitstand sein konnte, nachdem ein Freistoß der Gäste, der abgesehen vom Führungstreffer einzige Torschuss in der ersten Halbzeit, die Latte gestreichelt hatte.

Die zweite Halbzeit begannen die Hanseaten noch druckvoller und nun häuften sich auch die Chancen auf den Ausgleich. Beispielhaft für die Anstrengungen die Torschusssalve Yusufs, der innerhalb einer Minute dreimal auf das Gehäuse des Gegners drosch, im Torwart der Gäste aber stets seinen Meister fand. Und so machte sich allmählich Verzweiflung breit, als ein erneuter Angriff dann endlich den hochverdienten überfälligen Ausgleich brachte. Nach einem abgewehrten Schuss schnappte sich wieder Yusuf den Ball, legte diesen noch einmal quer und zog aus sieben Metern unhaltbar ab.

Mit dem Ausgleich kam die Sicherheit und aus den wütenden Angriffen wurden plötzlich wunderbare Spielzüge. Hansa kombinierte sich mit Passstafetten nun das ein oder andere Mal vors gegnerische Tor und zehn Minuten vor Schluss war es dann Fynn, der einen unzureichend geklärten Ball aus der zweiten Reihe ins Tor hämmerte und damit die 2-1 Führung herstellte. Freude und Erleichterung brachen im Hansalager aus, während der wütende Gästetrainer schreiend ums Feld rannte und dabei innerhalb kürzester Zeit Strecken zurücklegte, die jedem Freizeitjogger zur Ehre gereicht hätten.

Hansa blieb hungrig, doch als ein weiterer Treffer nicht gelingen wollte und die Spielzeit sich allmählich ihrem Ende entgegen neigte, überwog der Wunsch nach Ergebnisrettung dem Willen zu eigenen Offensivaktionen. So wurden die letzten fünf Minuten noch einmal zu einer nervlichen Belastungsprobe für die kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Trainer. Die Defensive ließ zwar keine Chancen aus dem Spiel zu, aber in dem Moment als sich in des Schiedsrichters Lunge schon die Luft für den Schlusspfiff sammeln wollte, bekam Marathon noch einmal einen Eckball zugesprochen. Dieser wurde scharf vor das Tor gezogen, und während sich die Spieler in Gelb schon einmal gedanklich mit der Jubelchoreographie für den Sieg befassten, stieg ein Stürmer der Neuköllner in die Luft.

In diesem Moment beschloss die Zeit ein kurzes Vergehmoratorium, blieb also erst einmal bis auf weiteres stehen, um nach unermesslicher Spanne – es sei daran erinnert, dass die Zeit gerade stehen blieb, weshalb sie als Messungsgröße nicht mehr in Frage kam, weshalb der Moment sowohl (und gleichzeitig) siebzehn Milliarden Jahrhunderte als auch minus vierkommaacht Sekunden andauerte – in deutlich verringerter Geschwindigkeit weiterzulaufen.

Voller Schrecken betrachten alle Umstehenden, wie sich der Ball langsam dem Kopf des Stürmers entgegen schraubte, während die Hansa Abwehr reglos verharrte. Die absolute Stille wurde nur vom ohrenbetäubenden dumpfen Donner des Zusammenstoßes von Kopf und Ball gestört. Nun flog der sich langsam wieder in seine angestammte Kugelform transformierende Ball unaufhaltsam in Richtung Tor durch die scheinbare Leere der Luft, kreuzte den Weg von tausenden und tausenden von Kohlenstoffdioxidmolekülen, sagte hier und dort Guten Tag zu einem Sauerstoffatompaar und vertrieb die lästigen und unvermeidlichen Doppelwasserstoff-Sauerstoff-Verbindungen, welche dank der wärmenden Sonne heute besonders gut gelaunt und umtriebig schienen, aus seinem Weg.

Und als die Spannung nicht mehr zu ertragen war, da schaltet die Zeit um auf Normalgeschwindigkeit, der Ball flog über die Latte ins Toraus und Hansa gewinnt mit 2-1.

Der Rest war Jubel und Glückseligkeit.

(Autor: Cornelius)

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