Wo die U1 einen großen Booogen macht!

30. Spieltag: BSV Hürriyet-Burgund II – Hansa 07 0:9 (0:3)

Teil I: WEDDING

„Guckt mal, Karame geht“, sagte irgendjemand aus dem Umfeld des Kreuzberger Fanclubs Pöbelmob, als die inoffiziellen Informanten des FC Karame irgendwann ihren Posten räumten und kleinlaut den Platz verließen. Während ihrer telefonischen Live-Berichterstattung für den zeitgleich spielenden Auftraggeber mussten sie a) erfahren, dass Karame schon nach 30 Minuten drei Tore kassiert hatte, und mussten b) ständig durchgeben: „Noch ein Tor für Hansa.“ Frustrierende Neun Mal. Das bei hochsommerlichen Temperaturen ausgetragene Fernduell um den Aufstieg in die Kreisliga A wurde dadurch nicht mehr spannend.
„Ihr braucht nicht nervös zu sein“, hatte Trainer Ali Ilhan seine Edelkicker vor dem letzten Saisonspiel beruhigt. Die Ausgangslage war klar: Die FSV Hansa 07 hatte sich in den vergangenen fünf Wochen beharrlich an einen Aufstiegsplatz herangepirscht. Den Rückstand von zunächst sieben, dann vier Punkten und schließlich nur noch einem Zähler zwei Spieltage vor Saisonende verwandelten die Kreuzberger in einen Vorsprung. Ein Unentschieden beim bereits von allen Abstiegssorgen befreiten BSV Hürriyet Burgund II würde schon reichen. Die Verfolger hingegen waren zum Hoffen und Telefonieren verdammt.

Dass dieser so oft herbeigesehnte Tag, der manchmal so unendlich weit entfernt zu sein schien noch Wirklichkeit wurde, ist ein mittleres Fußballwunder. Der Aufstieg in die Kreisliga A war nun tatsächlich nur noch 90 Minuten entfernt. Und wie ernst es die Kreuzberger an diesem Tag damit meinten, spiegelte sich schon in Szene eins: die Ankunft. So zeitig hatten die Kreuzberger noch nie einen Auswärtstermin erreicht. Niemand hatte sich verfahren. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte Trainer Ali Ilhan vor der Abfahrt die Route in gedruckter Version verteilt. Ziel: Wattstraße, Wedding. Entfernung zum Ziel: 11,5 Kilometer.

Testosteron pur

Als der Pöbelmob pünktlich zum Anpfiff das erste, in feinster Handarbeit gefertigte Spruchband ausrollte („Freundschaft hin, Freundschaft her… Hanser!“) standen die Zeichen bereits auf Sieg. Die ersten konkreten Angriffsbemühungen der Kreuzberger waren der Beweis für ihren unbedingten Willen: diese Chance sollte nicht vergeigt werden. Doch ehe Marcello Rusake das Torfestival eröffnete, waren andere reihenweise nur knapp gescheitert und mussten sich den einzigen Vorwurf des Tages gefallen lassen: Scharfschützen hätten in der ersten Halbzeit mindestens doppelt getroffen. Weil aber jeder Wrangelkicker gefühlte fünf Versuche brauchte, um seine Füße zu justieren, hielt die Anspannung bis zu jener Aktion, als Überschnapper Christian Haberecht einen Elfmeter mit dem Mittelfinger an den Pfosten lenkte. Nach seiner letzten Heldentat der Saison fletschte er die Zähne. Testosteron pur.

Fast im Gegenzug erzielte der vereinsinterne Schützenkönig Jörg Weikardt sein zweites von insgesamt fünf Toren. „Die FSV ist wieder da!“, prangte es auf dem zweiten, vom Chefchoreographen Rico Selk entwickelten Spruchband. Hansa war nicht mehr zu stoppen. Naja doch, aber nur vom Schiedsrichter, der auf Anregung der erschöpften und mittlerweile lustlosen Gäste die Partie vorzeitig beendete; und das, obwohl Kapitän Paul Linke einen Deal mit dem Pfeifenmann ausgehandelt hatte: „Schiri, erst beim 10:0, nicht vorher.“ Sehr wahrscheinlich wäre das Endergebnis zweistellig ausgefallen.

Und dann brachen alle Dämme. Die Freude schwappte in Sektwellen über den Platz, Meistertrainer Ali Ilhan wurde vom ambitionierten Kollegen Marc Nutsch mit dem Wassereimer traktiert, schwitzende Männer lagen sich in den Armen und hüpften in ungelenken Kreisen zum Siegerpodest. Klick. Mannschaftsfoto. Endlich kaltes Bier. Alle in die Sandgrube. Klick. Duschen. „So ein Tag, so wunderschön wie heute!“ Ab nach Kreuzberg, „wo die U1 einen großen Booogen macht, wo die Wrangelritze strahlt in neuer Pracht, wo man trägt die aller schönsten Spiel aus – da ist unsre Hansa, da sind wir zu Haus“. Und da wartete bereits Obergrillmeister Hakan mit ganze Lamm und zehn Kilo Bouletten.

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Aufstellung: Haberecht (65. R. Selk) – Linke – A. Selk, Schachner, Dumam – Huber, Meiser, Rusake (60. Herrmann), Hubmann (46. Gorelik) – Kahraman, Weikardt.

Tore: 0:1 Rusake (18.), 0:2 Weikardt (36.), 0:3 Huber (43.), 0:4 Weikardt (56.), 0:5 Weikardt (62)., 0:6 Kahraman (66.), 0:7 Weikardt (72.), 0:8 Gorelik (76.), 0:9 Weikardt (81.)


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