Kleine Anleitung des Sich-selbst-Besiegens

15. Spieltag: 1.FC Marzahn 94 II – FSV Hansa 07 II 6:2 (2:0)

Schon immer gab es Mannschaften, die so schön verlieren konnten, dass ihnen trotz großer Erfolgslosigkeit die Herzen der Zuschauer zugeflogen sind. Der wohl beliebteste Verlierer aller Zeiten war der SC Freiburg in seiner ersten Bundesligasaison Mitte der Neunziger. Die “Breisgau-Brasilianer” spielten die gesamte Liga in Grund und Boden, standen nach den Spielen aber meist ohne Punkte da. Sie erhoben die Niederlage zur Kunst! In der Kreisliga C zu Berlin beherrscht diese Kunst wohl kein Team so gut, wie die Zweite der FSV Hansa. Nun erscheint im “13 Gegentore Verlag” ein Kunstführer:  Kleine Anleitung des Sich-selbst-Besiegens!

Lieber Hansa-Spieler,

jeden Sonntag schleppst du dich auf den Platz und fragst dich, warum Fußball nur von so geringer Intellektualität durchdrungen ist. Reduziert auf männliche Verhaltensmuster wie Brüllen, Spucken, Grätschen, Jubeln, fehlt dir das Musische bei der Sache! Das muss nicht sein. Beginne dich gegen das Vorhandene, Etablierte zu wehren und finde so deinen Platz in dieser Welt. Tritt dem albernen und völlig überbewerteten Erfolg entgegen. Den Weg den wir beschreiben wollen, ist der Weg der Niederlage. Die Entdeckung des Lustgewinns im Verlieren. Die Kunst des Sich-selbst-Besiegens. Eine Anleitung:

1. Wenn Spiele völlig ausgegelichen sind, dann habe keine Scheu davor, dem Gegner – nach ungefähr 32 Minuten – den sicheren Stand zu entziehen. Ein kleiner, feiner Tritt gegen den Fuss reicht völlig aus. Es muss keine brachiale Grätsche sein. Nein, einfach sachte berühren genügt – ohne Not – einfach so – aus dem Nichts. Meister dieses Fachs üben diese Kunst sogar im eigenen Strafraum aus!

2. Es liegt so viel Anmut in der Ausführung der Kunst der verunglückten Kopfballrückgabe. Ein graziler Absprung, ein wunderbar schlechtes Timing und wenn der Ball dann im Netz zappelt und man die verständnisvollen Gesichter der Mitspieler sieht, weiss man: “ich habe alles richtig gemacht”. Gibt es Schöneres, als Tore schenken? Dem Bundesligprofi Feilpe Santana wurde diese Freude neulich verwehrt, aber der wahre Fussball spielt sich ja auch in der Kreisliga ab.

3. Nach dem man sich in der Pause Mut zugesprochen hat, ist man Bestens beraten, schnell nachzulegen. Besonders elegant ist die Variante “nimm-du-ihn-ich-hab-ihn-sicher”, welche zu 99,9% zum Erfolg führt. Vor allem wenn sich diese Situation zwischen Verteidiger und Torwart abspielt. Und auch hier holt man sich die Befriedigung dann ab, wenn der gegnerische Stürmer lächelnd “Danke” sagt.

4. Nun kommen wir zur wirklich hohen Kunst des Sich-selbst-Besiegens! Dies ist nur nach mehrjähriger Erfahrung und Übung möglich. Die Kunst besteht darin, sich gefühlt in das Spiel zurückzukämpfen und durch zwei erzielte Tore den Gegner in Aufruhr zu versetzen. Hat man diesen Zustand erreicht, kann man zum psychischen Knock-Out ansetzen. Kurz nach dem Anschlusstor halten sie sich bei einem Freistoß aus 40 Metern einfach zurück und lassen den Gegner den Ball – mit dem Fuss – direkt verwandeln. Die “Anschluss-geschafft-sofort-Gegentor-Technik” ist meist Todsicher und die Ausübung nur Profis zu empfehlen.

5. Jetzt haben sie den Gegner da, wo sie in haben wollten – im absoluten Vorteil! Vergrößern sie ihre Lust durch eine völlig unnötige Torwart-Aktion. Eine Möglichkeit besteht darin, einen langen Ball an der Kante des eigenen Strafraums zu fangen und dem vorbeilaufenden Stürmer einfach und sachlich das Bein in den Körper zu stellen. Wenn es der Schiedsrichter gut mit Ihnen meint, entscheidet er auf indirekten Freistoß. Ein weiteres Glanzlicht folgt, wenn der Gegner den Ball dann in den Winkel hämmert. Wahrlich ein Genuss!

6. Zu guter Letzt lassen sie sich hängen und gewehren dem Gegner auch noch zumindest ein herausgespieltes Tor. Sonst fühlt sich dieser am Ende nicht mal als wirklicher Sieger.

Wenn es dann heisst 2:6 verloren, haben sie den richtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht!
DENN MERKE: GEWINNEN KANN JEDER! RICHTIG VERLIEREN IST EINE KUNST!

Austellung: E.Selk – Linke, Fischer, Boll, Lauer – Koch (63.Hoffmann), Schachner, Hoss, Wegerhoff – H.Bektas, E.Kahraman (86.Giese)

Tore: 1:0 (32.,FE), 2:0 (42.), 3:0 (49.), 3:1 Fischer (71.,FE,Rechtsschuss,Schachner), 3:2 H.Bektas (77.,Rechtsschuss), 4:2 (79.), 5:2 (82.), 6:2 (85.)

Karte/n: Linke (gelb/Ballwegschlagen), E.Selk (gelb/Foulspiel)

Tragische Figur des Spiels: Paul Linke – der die Gegentore eins und zwei auf seine Kappe nehmen muss, einen wunderbaren Kopballtreffer erzielte, welcher keine Anerkennung fand und einen weiteren Kopfball an die Latte setzte.

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