Und dann macht es bääng

18. Spieltag: SC Teutonia Spandau II – Hansa I 2:3 (1:0)

Die äußerst schicke Homepage des FSV Hansa 07 ist nicht nur eine Tauschbörse für aktuelle Wehwehchen und potentielle Neuverpflichtungen, sondern auch ein Forum für die Kunst der Prophezeiung. Wie ließe es sich sonst erklären, was sich dort am Tag vor dem so wichtigen Spiel gegen Verfolger Spandauer SC Teutonia II zugetragen hat: capitano schrieb an den verletzten Stürmer Jörg Weikardt: „Wir brauchen dich dringend da vorne, wo sich Ali wieder selbst ins Gespräch bringt.“ Ben schrieb zurück: „Hoffentlich schießt Ali morgen kein Tor, sonst dürfen wir uns das wieder wochenlang anhören…“ Smiley.

Zur Aufklärung: Die an chronischer Stürmerarmut leidenden Kreuzberger mussten auf die verletzten Jörg Weikardt und Engin Kahraman verzichten, Tankwart Yusuf Yildirim wurde zum Wochenenddienst verdonnert und fehle ebenfalls. Die Doppelspitze bildeten daher Roman Emmerling und Murat Ciftci, der am Samstag zu seinem letzten Einsatz kam und fortan in Dublin Rugby spielen möchte. Siebzig Minuten lang gaben sich beide große Mühe, den übergewichtigen Torwart der Gäste zu überwinden, mehr als der zwischenzeitliche Ausgleich zum 1:1 durch Emmerling (60.) kam dabei nicht zustande. Dieser Treffer, ein umstrittener Handelfmeter, brachte die Spandauer mächtig auf die Palme; es war die Fortsetzung einer Geschichte aus der Serie Schiedsrichtergeschenke für Hansa. Schon beim Punktgewinn gegen den 1. Traber FC Mariendorf II am vergangenen Wochenende zeigte der Pfeifenmann zwei Mal auf den Punkt. Über die Berechtigung der Elfer herrscht weiterhin Uneinigkeit im Team.

Ja, und dann kam Ali Ilhan. Wie einst Günter Netzer hatte sich Ilhan selbst eingewechselt und erzielte in der Nachspielzeit den Siegtreffer (90.+2). „Ich dachte, der Ball geht drüber“, sagte der Spielertrainer nach dem Spiel, in der Kabine, auf der Heimfahrt im Auto und wahrscheinlich wird er seinen Volleyschuss auch dienstags und donnerstags im Training noch einmal in den schillerndsten Farben nachzeichnen. Niemand wird ihm das übel nehmen, schließlich ist das 3:2 in seiner Bedeutung kaum zu überrschätzen. Während die Spandauer ihrem Frust freien Lauf ließen und das Schiedsrichtergespann für ihre nun verpassten Aufstiegschancen verantwortlich machten – was eine Rote Karte zur Folge hatte –, schichteten sich die Wrangelkicker zu einer menschlichen Jubelpyramide und vergruben ihren Trainer im Kunstrasen.

Tore nicht schießen in Perfektion

Dass sich aber diese unvergessliche Szene überhaupt abspielen konnte, war lange nicht abzusehen. Die erneut umgestellte Abwehr (Kapitän Paul Linke gab von einer mysteriösen Erkrankung erholt den Libero, Ben Fischer rotierte auf der rechten Seite in die Startformation, links spielte Eric Vissers, in der Innenverteidigung kam Akgün Akdogan zum Einsatz) erlaubte dem Gegner, gleich mit dem ersten nennenswerten Angriff den Führungstreffer (24.). Eric Vissers stand falsch zum Mann, wurde überlaufen und konnte die flache Hereingabe nicht verhindern, die in der Mitte ihren Abnehmer fand. Fischer wirkte in dieser Situation ein wenig ungelenk, machte aber insgesamt ein gutes Spiel und wurde sogar in die Elf des Tages berufen. Nach eigener Angabe ist damit sein „achtes Lebensziel“ erreicht. Das Ziel hingegen, den Spielstand noch vor der Pause zu drehen, errechten die Kreuzberger nicht. Zwar doppelpassten Boris Herrmann und die überragenden Ender Kökyaprak und Ferdi Sarikurt die Bälle immer wieder vor das Tor, doch anstatt den Abschluss zu suchen, spielten sie noch mal quer und noch mal zurück.

Wie einfach und schnörkellos ein Tor fallen kann, zeigte Herrmann in der zweiten Halbzeit. Den per Picke Richtung Tor kullernden Schussversuch des zentralen Mittelfeldspielers legte sich der Torsteher der Spandauer zum 2:1 selbst ins Netz (68.). Ein Lerneffekt stellte sich indes nicht ein. Selbst in klarster Schussposition schafften es die Wrangelkicker nicht, den Ball mal einfach aufs Tor zu dreschen. Emmerling und Kökyaprak zelebrierten in Perfektion, wie man Tore nicht schießt. Diese Fahrlässigkeit rächte sich fünf Minuten vor Ende des Spiels. Eine Flanke von rechts veredelten Fischer und Torwart Christian Haberecht in Koproduktion zum 2:2 (85.) – der harmlose Kopfballaufsetzer drehte sich zwar mies ins Tor, aber bitte, rein musste er wirklich nicht. Die in der Hinrunde überschwänglich gelobte Abwehr, einst die beste der gesamten Liga, muss sich steigern. Solange jedoch Ilhan nicht die Karriere beendet, hat Hansa das Glück auf seiner Seite, und schießt die entscheidenden Tore halt in der Nachspielzeit. Noch ein Mal zur Erinnerung, morgen gibt es den passenden O-Ton: Eckball auf den zweiten Pfosten, Ilhami Catal köpft im langen Bogen vor das Tor und dann macht es bääng. Als hätten es capitano und Ben geahnt.

Aufstellung: Haberecht – Linke – Fischer, Akdogan, Vissers (46. Catal) – Engel, Kökyaprak, Herrmann, Sarikurt – Ciftci (70. Ilhan), Emmerling.
Tore: 1:0 (24.), 1:1 Emmerling (60., FE), 1:2 Herrmann (68.), 2:2 (85.), 2:3 Ilhan (90.+2)