YOU`LL NEVER KICK ALONE!

18. Spieltag: SC Berliner Amateure II – FSV Hansa 07 II 2:3 (1:1)

Die Emotionen waren nicht mehr zu halten. Als der unparteiische Schiedsrichter Wolfgang Engelskirchen um 15:00 Uhr das Spiel des Jahres in der Staffel 5 abpfiff, brachen um und auf dem Rasen alle Dämme. Weit über 70 mitgereiste Hansa 07-Fans im eigens fein hergerichteten schwarz-gelben Block und weitere Versprengte auf den Tribünen feierten ihre Helden euphorisch, die Sekunden zuvor den ärgsten Konkurrenten um den Aufstieg in einem hochdramatischen Spiel mit 3 zu 2 besiegen konnten. Aber der Reihe nach…

Die „Zweete“ sorgte bereits beim Abschlusstraining für ein Novum in der jungen Historie der 2.Herren. Trainer Nutsch durfte am Freitagabend gleich 22 glühende Kicker begrüßen. Somit war, bis auf die beiden langzeitverletzten Torhüter, der komplette Kader beim Training. Eine ungewöhnliche und auch unbequeme Situation für den Coach. Jeder wollte beim Spiel des Jahres seinen kleinen Beitrag dazu leisten, Hansas unheimlichen Lauf von sieben Siegen in Folge auszubauen. Verständlich, dass bei der Kaderbenennung einige geknickte Gesichter in der Runde zu beobachten waren. Dennoch der Teamgeist in der Mannschaft lebt und so fieberten von den einarmigen Banditen bis hin zu Tonys Derbykampf erprobten Kult-Mama Gitte, die extra aus Köln angereist kam, dem schicksalsträchtigem Duell mit dem Kiez- und Tabellennachbar Berliner Amateure entgegen. Dass dies kein einfaches Unterfangen werden sollte, war trotz aller Euphorie auf und außerhalb des Platzes kein Insidertipp.

Ungewöhnliche Spiele erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. So nahmen sich sieben (welch Zufall) Hansa Spieler einen Tag vor dem Derby im Hinterhof der Vereinskneipe ein Herz und ein Pils und gründeten die erste Ultra-Gruppierung der schwarz-gelben Wrangelkiez-Kicker. Die „Wrangel-Warriors“ waren geboren. Und was eine echte Ultra Horde ist, die lässt sich was einfallen. Weder Lunge, Leber noch Geldbeutel wurden geschont, um den Traum einer schwarz- gelben Kurve beim prestigeträchtigen Kreuzberg-Klassenkampf zwischen 36 und 61 wahr werden zu lassen.

Hansa-Choreo
Der zarte Beginn einer unaufhaltsamen Bewegung.

Keine 24  Stunden später staunten die zahlreichen Zuschauer nicht schlecht, was sich im Gästeblock tat. Wo ansonsten so allerlei Grün in Ruhe wachsen und gedeihen konnte, hingen Banner an den Zäunen, wedelten schwarz-gelbe Ballons im lauwarmen Wind, flatterte eine improvisierte Fahne am Mast, grölten Massen an Kreuzbergern hanseatische Schlachtgesänge und verwandelten den Block kurzzeitig in eine einzigartige Choreographie, die Ihresgleichen in der Amateurliga sucht. Von all dem Support gepusht, ging es nun für die elf Auserwählten auf in den Kampf um den Aufstieg und die Vorherrschaft im Kiez.

Das Spiel begann so wie es sich für ein Spitzenspiel gehört: Langweilig. Beide Mannschaften riskierten in der Anfangsphase nicht all zu viel. Gegenseitiges Beschnuppern auf hohem Kreisliga-C-Niveau.

Hansa fand nicht so ins Spiel wie vorgenommen, zu groß war anscheinend der Respekt vor Gegner und Kulisse. Bis auf ein, zwei kleine Chancen war von der starken Hansa Offensive nichts zu sehen. Die Abwehr der Amateure stand sicher und ging konsequent in die Zweikämpfe, ohne dabei unfair zu Werke zu gehen.  Auf der Gegenseite ließ Hansa aber auch nicht viel zu. So neutralisierte man sich bis zur 18.Minute. Ein Abschlag vom Torwart der Amateure segelte über alle hinweg und landete bei Hoffmann, der spürte im Laufduell den Atem des Stürmers, versuchte den Ball in Richtung Torwart abzuschirmen, in der Hoffnung, dass Aushilfskeeper Gladis die Situation klären würde, was diesem nicht gelang und so Piet die Unsicherheit ausnutzte und den Ball über Gladis ins Tor hob. 1:0 Berliner Amateure. Nach kurzen, aufmunternden Worten für Hoffmann ging die Party weiter.

Das 0:1.
Hoffmann fasst sich erschrocken an den Kopf und denkt, »so Haare wie Totti hätt' ich eigentlich auch lieber.«

Hansa war nun wach und fand prompt die passende Antwort. In der 20. Minute flog eine von Kahraman schön getretene Ecke in den Amateure-Strafraum, wo sich Kapitän Emmerling durchsetzte, mustergültig hochschraubte und die Pille eiskalt zum umjubelten 1:1 ins Netz drückte.

Jetzt nahm das Spiel Fahrt auf. Beide Mannschaften suchten den Weg nach vorne. Die Amateure vergaben gleich drei hochkarätige Chancen, wovon ein Schuss an der Latte landete und ein weiterer nur knapp am Torkreuz vorbeizischte. Hansa erarbeitete sich zu wenige Chancen, die alle vergeben wurden. Mit einem aus Hansa Sicht glücklichem Unentschieden ging es in die Pause. Über einen Rückstand hätte sich Hansa nicht beschweren dürfen. Hansa spielte mit, aber richtig ansehnlich war es nur selten in den ersten 45 Minuten.

Die zweite Hälfte begann mit einem Wechsel in der Innenverteidigung. Patrick „Bulldozer“ Kohl verletzte sich so schwer an der Schulter (Schultereckgelenkssprengung, wie wir nun wissen!), dass er geknickt draußen bleiben musste. (Gute Besserung, Digger!)

Für ihn kam „Richter“ Rehwinkel in die Partie. Die zweite Hälfte begann mit zwei Mannschaften, die den konsequenten Weg nach vorne suchten, diesen zwar nicht immer fanden, aber das Spiel kam nun in Fahrt. In der 54. Minute dann der nächste Nackenschlag für Hansa. Wieder ließ Amateure Goalgetter Piet die Hansa Hintermannschaft alt aussehen, wand sich mit einer Drehung um Hoffmann und erzielte mit einem flachen Schuss aus 16 Metern das 2-1 für die Berliner Amateure. Hansa war geschockt, schüttelte sich kurz und kämpfte weiter, nun auch fanatisch angefeuert von der gut befüllten Gästekurve. Der Wrangel-Roar enterte das Rund. Trainer Nutsch reagierte und nahm Hoffmann vom Feld, für ihn kam „Schröder“ und Kapitän Emmerling wurde in die Innenverteidigung beordert.

Hansa zeigte nun, warum sie an der Tabellenspitze steht. Schnelles Kurzpassspiel, mal durch die Mitte über Tucic, mal über die Außen, die Amateure wurden an allen Fronten gefordert. Die Wrangel Warriors pushten ihre Mannschaft immer wieder nach vorne und man sah der Truppe auf dem Platz an, dass sie nicht gewillt waren, vor dieser Rekordauswärtskulisse mit gesenkten Häuptern vom Platz zu traben. In der 75. Minute kam Meiser für den ausgepowerten „El Tren“ Stankowski. Die Abwehrkette wurde auf drei Mann reduziert und Emmerling ins Sturmzentrum befehligt, um dort mit seiner Präsenz und seinem Kopfballspiel Bälle zu halten. Der Druck auf die Amateure wurde immer stärker. Hansa wollte den Ausgleich. Kahraman und Schumann scheiterten zunächst mit ihren Schüssen nur knapp. In der 80. Minute dann ein schöner Heber von Bektas über die Abwehrkette der Amateure in den freien Raum. Der unermüdliche Kämpfer Kahraman roch den Braten, stürmte in die Schnittstelle und köpfte den Ball vorbei am überraschten Keeper ins Netz. Der schwarz-gelbe Kessel brodelte und es kam noch besser. Von den Amateuren war nun nichts mehr zu sehen. Angst schien sich breit zu machen, Angst am Ende dieses Spieltages auf dem undankbaren dritten Platz zu stehen. Verfolger Karow hatte zur selben Zeit Besiktas mit 9:0 regelrecht vernichtet. Angst essen Seele auf.

Hansa hatte nun alle Trümpfe in der Hand und spielte sie abgezockt wie Chris Moneymaker aus. Und dann kam sie, die Minute in welcher der Fußballgott sein altes schwarz gelbes Trikot aus dem Schrank zog und sich einen feixte, weil er wusste was er gleich auslösen würde.

Die 85. Minute. Eckball für Hansa. Der Ball von Engin Kahraman getreten kam mit viel Schnitt vors Tor, Klärungsversuche prallen auf Torschüsse, angeknockt taumelt der Ball gen Außenpfosten, wo Hansagott Emmerling steht, nicht lange nachdenkt und abzieht, doch der Ball fliegt knapp am Tor vorb…nee doch nicht, wie eine Diva entscheidet sich die Murmel anders, dreht und legt sich geschmeidig in den rechten Torwinkel. 3-2 für Hansa!

Der schwarz-gelbe Kessel platzte!

Hansa drehte das Spiel innerhalb von fünf Minuten vor der eigenen Kurve. Unglaubliche Szenen spielten sich für ein Kreisliga C Spiel ab. Ausrastende Zuschauer, ausrastende Spieler, ein einziger Jubelorkan in schwarz-gelb, und als dann noch „You`ll never walk alone“ angestimmt wurde, entwickelte sich eine Gänsehaut- Atmosphäre wie sie nur an der Anfield Road oder am Millerntor zu finden ist. Ein Moment auf alle Ewigkeit eingefressen ins schwarz-gelbe Gedächtnis.

Nachdem der Mob wieder zur Vernunft gekommen war, ging das Spiel weiter. Manchmal fühlen sich Minuten an wie Jahre. Die Amateure versuchten noch einmal das Hansa-Tor in Bedrängnis zu bringen, wurden aber konsequent vom eigenen Tor weg gehalten. Nachdem ein Amateur noch die gelb-rote Karte sah, war die Messe gelesen. Hansa verteidigte geschickt, ließ den Ball laufen und die Zeit verstreichen. Dann pfiff der Unparteiische das Spitzenspiel ab und leitete damit eine 13 Stunden lange Party ein, die erst am frühen Morgen in Kreuzberg 36 ihr Ende fand.

Danke Hansa II, danke Fans, danke Wrangel Warriors und danke an Tonis Mom für einen unvergesslichen Fußballtag in der Kreisliga C.  Zu guter Letzt danken wir auch den Berliner Amateuren für ein faires Spiel und für die gute  Gastfreundschaft.

Fazit: Hansa II belohnt sich nach mittelmäßigen 60 Minuten mit einer enormen Leistungssteigerung mit drei vielleicht entscheidenden Punkten im Kampf um den Aufstieg. Die Mannschaft hat einen unglaublichen Willen gezeigt und sich in keiner Sekunde des Spiels aufgegeben. So spielt ein Aufsteiger! Nun wartet auf die Männer um Erfolgstrainer Nutsch am 1. Mai das schwere Spiel gegen den 1.FFV Spandau.  Siegt die Mannschaft im letzten Heimspiel, braucht sie nur noch einen Sieg aus drei Spielen um sicher aufzusteigen.

Let`s rock Hansa II…you`ll never walk alone

Stimmen zum Spiel:

Trainer Nutsch: “Das war ein glücklicher Sieg. Es war von beiden Mannschaften kein gutes Spiel. Dafür, dass der Erste gegen den Zweiten gespielt hat, fand ich es enttäuschend. Aber am Ende hat sich die Mannschaft dafür belohnt, dass sie seit mehreren Wochen richtig gut arbeitet. Das haben sie sich verdient “

Patrick Kohl: “Unglaublich, was hier bei unseren Fans heute abging. Ich musste zwar verletzt raus, aber sich das Spektakel anzusehen, hat das ganze erträglicher gemacht“

Andrè Tucic: “Das war ein dreckiges Fußballspiel. Wir haben zwar nicht den überragenden Fußball gespielt, dennoch hatte ich nach dem 2:1 nicht das Gefühl, das wars jetzt. Wir haben echt Eier gezeigt und sind über den Kampf ins Spiel gekommen. Das bestätigt mich, dass wir eine Meistermannschaft sind. Und zu den Fans kann ich nur sagen, die Stimmung nach dem 2-1 hat uns richtig gepusht, eine ganz große Sache. Danke!“

Kai Schumann: “Ich bin riesig enttäuscht von dem Spiel. Wir haben zwar gewonnen, aber nicht gut gespielt. Da habe ich von uns echt mehr erwartet. Aber wenigstens hat die Torausbeute heute gestimmt“

Co-Trainer Ben „Uh Ah“ Fischer: „Wir haben von diesem Tag alle geträumt. Unsere Ideen haben wir realisiert, wir hatten für das erste Mal Wrangel Warriors große Ziele gehabt und alles hat geklappt. Ein Traum. Jetzt wird richtig gefeiert“

Aufstellung: T.Gladis – J.Kohl, P.Kohl (46.Rehwinkel), Hoffmann (65.Strzoda), Linke – Schumann, Tucic, Emmerling, Stankowski (75.Meiser) – H.Bektas, E.Kahraman

Tor/e: 1:0 Piet (18.,Rechtsschuss), 1:1 Emmerling (20.,Kopfball,E.Kahraman), 2:1 Piet (54.,Rechtsschuss), 2:2 E.Kahraman (80.,Kopfball,H.Bektas), 2:3 Emmerling (85.,Rechtsschuss)

Karte/n: Schumann, Hoffmann, Linke, Emmerling (gelb/Foulspiel)

Spieler des Spiels: Diese Ehre gebührt heute allen Hanseaten auf und außerhalb des Platzes, die sich der Aufgabe gestellt und ihren Teil zum hart erkämpften Erfolg beigetragen haben!

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