„Zack, zack, zack – drin!“ | Hansa-Gesichter (II)

Kann aber auch anders: Marc Nutsch

Der brandneue Trainer der Zweiten Mannschaft, Marc Nutsch, spricht über seinen größten sportlichen Erfolg, gutes Auge und Stellungsspiel, Schweinebälle, den Libero als tote Position, Dimitar Berbatov, Einzelgespräche und ambitionierten Amateurfußball.

Herr Nutsch, viele Wege führen zu Hansa. Welchen haben Sie gewählt?

Übers Internet. Der erste Kontakt entstand im Januar. Auf der Homepage von Hansa stand: „Trainer Zweite Mannschaft? Gute Frage.“ Da habe ich Christian Haberecht angerufen, er meinte, ja, das würde bald alles anders und besser werden, man könnte jetzt aber noch nicht sagen wie und wann. Im April wurde es dann konkreter, da habe ich mich zum ersten Mal mit dem Vorstand getroffen.

Hatten sie auch andere Angebote?

Nein, ich bin nach Berlin gekommen und habe in einer Studententruppe gekickt, da waren Typen dabei, da fragt man sich: „Warum spielst du eigentlich Fußball?“ Ich habe insgesamt über ein Jahr gebraucht, um einen Verein in Berlin zu finden, der meinen Vorstellungen entspricht. Ich habe echt im Internet recherchiert, aber ich weiß nicht, warum ich Hansa nicht gleich gefunden habe.

Ist eigentlich nicht so schwierig. „Kreuzberg“ und „Fußball“ bei Google eingeben.

Komisch, aber im Internet sieht man nicht auf Anhieb, was den Verein auszeichnet. Ich wollte ein soziales Umfeld wie bei meinem alten Verein in Hamburg, dem SC Sternschanze: eher linkspolitisch, eine Multikulti-Truppe, auch wenn das mitunter problematisch sein kann.

Jetzt haben Sie also, wonach Sie gesucht haben?

Ja, das Flair ist klasse – wie in Hamburg. Wenn einer zum ersten Mal ins Training kommt, dann ist er prinzipiell willkommen. Es ist ein lockeres Umfeld, in dem man Amateurfußball spielen kann. Ambitioniert aber ohne Druck. Ich will keine Ballermanntruppe.

Wie gefällt Ihnen der Fußball, den die Kreuzberger spielen? Sie haben sich in der vergangenen Saison öfter mal in der Wrangelritze blicken lassen.

Ich habe mir ein paar Spiele zum Rückrundenauftakt angeschaut. Zu Beginn gegen Treptow dachte ich noch: „Naja“, als ich Karame gesehen habe, dachte ich: „Oha“ und: „Die sind Zweiter?“ Hansa war in diesem Spiel dominant, aber nicht gut. Erst zum Schluss, in den letzten Saisonspielen, hat mich die Mannschaft dann doch überzeugt.

Was war da anders?

Ich finde Ali Ilhan macht das sehr gut, weil er zum Saisonende genau das Richtige vermitteln konnte: Die Mannschaft soll miteinander spielen. Es gibt keinen Überspieler im Team, klar, es kommt auf die Tagesform an, aber im Grunde gibt es diesen Spieler nicht, der alles alleine entscheiden kann. Und wenn der Ball läuft, dann sieht es wirklich gut aus.

In Ihrer zweiten Saison bei Hansa werden Sie die zweite Mannschaft trainieren. Was sind Ihre persönlichen Ziele?

Die letzte Saisonphase macht mir Hoffnung, dass auch die Zweite das leisten kann, was die Erste Mannschaft gezeigt hat, dass wir auch was reißen können. Ich will mich nicht auf ein Ziel festnageln lassen, ich bin nicht einer, der sagt, dass wir unbedingt aufsteigen müssen. Mir geht es grundsätzlich mehr darum, einen guten Ball zu spielen. Mein Manko ist jedoch: Ich kenne den Berliner Fußball nicht, ich kann die Liga nicht einschätzen.

Wie sieht den dieser gute Ball aus?

Schön, schnell, erfolgreich.

Und wie seiht der passende Trainertyp aus? Sind Sie ein Schleifer oder Kumpel?

Ich bin tendenziell ein lockerer Trainer, aber was ich gar nicht mag, ist, wenn ich sehe, dass Spieler die Übungen nicht ernst nehmen, dass sie sich nicht konzentrieren. Da muss man Druck machen. Was viele Spieler auch nicht kapieren: Training darf nicht in einem Tempo ablaufen – da passiert halt nix. Das regt mich auf. Ich bin aber keiner, der die Mannschaft anbrüllt und zusammenstaucht, auch wenn ich sehr dominant sein kann. Ich versuche mit den Spielern zu sprechen, in vielen Einzelgesprächen, vor dem Spiel zum Beispiel. Ich gehe nicht die komplette erste Elf durch, aber je nachdem, welches Gefühl ich habe, spreche ich mit denen, die es vielleicht brauchen, wenn einer auf einer Position spielt, die er nicht gewohnt ist. Es kommt viel auf die Verfassung der Spieler an. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, den Spielern ein positives Feedback zu geben, gerade bei Spielern, die nicht den einfachsten Stand innerhalb der Mannschaft haben. Diesen Spielern muss man den Rücken stärken, ihnen zeigen, wo ihre Stärken liegen, denn das wissen viele gar nicht.

Wo lagen Ihre Stärken als Fußballer?

In der Defensive. Von der Ausbildung war ich der ganz klassische Libero, dann defensives Mittelfeld, in der A-Jugend, weil sich einige verletzt haben, bin ich dann zurück in die Mannsdeckung gegangen. Ich bin auch irgendwann eher zufällig auf Rechtsaußen gelandet, weil dort nie einer gespielt hat. Schnelligkeit, die man auf dieser Position braucht, war nie meine Stärke, dafür habe ich aber das taktische Verständnis mitgebracht. Ich habe ein gutes Auge, ich wusste immer, wie ich mich bewegen muss und bin sehr passsicher.

Wie weit haben sie es mir diesem Talent gebracht?

Fußballerisch war mein absoluter Höhepunkt in der A-Jugend, in Freiburg, da haben wir den Verbandspokal gewonnen. Wir haben gegen Eintracht Frankfurt und Dynamo Dresden gespielt. Unser Trainer im ersten Jahr war Stefan Majewski, der bei den Weltmeisterschaften 1982 und 1986 für Polen gespielt hat, er war auch Profi in Kaiserslautern. „Schweinebälle, immer Schweinebälle“, hat er sich über uns beklagt. Der Typ war echt unglaublich, der hat beim 5-gegen-2 immer vorher angekündigt: „Tunnel“. Du konntest nichts machen, der hat es immer geschafft, egal wie du rangegangen bist, er hat immer den Ball durchgeschoben. Da habe ich wahnsinnig viel gelernt.

Und dann?

Als ich aus der A-Jugend raus bin, wollte der Verein uns alle halten, aber ich machte nebenbei noch Abitur. Und da ich nicht der astreine Schüler war, habe ich erstmal zwei Jahre Pause gemacht, viermal die Woche Training war mir zuviel. Ich habe außerhalb von Freiburg gewohnt und hätte pendeln müssen. Ich habe aktiv nie höher als Bezirksliga gespielt.

Gut, kein Profifußballer. Der Trainerjob scheint also das Richtige zu sein.

Aber auch wieder per Zufall. Ich habe mich aus der Not heraus bereit erklärt, die C-Jugend zu trainieren, da habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht. Aber erst in Hamburg habe ich zum ersten Mal als Co-Trainer gearbeitet. Nicht offiziell, aber ich war es halt: Spieler-Co-Trainer. In der zweiten Saison war es dann offiziell. Der Verein wollte, dass die Trainer was tun, sich fortbilden und haben die Ausbildung finanziert. Klar, das habe ich gemacht und besitze jetzt den Fachübungsleiter C.

Ist der C-Scheinerwerb ein großer Aufwand?

Nein, zwei Wochenenden Seminar und dann zwei Wochen Praxis. Es gibt nur bestanden, oder nicht bestanden. Das hat nur einer nicht geschafft.

Wie sieht die Taktik für kommende Saison aus?

Am liebsten 4-4-2. Viererkette geht aber nur, wenn die Außenpositionen gut besetzt sind. Libero ist eine tote Position, da muss der Torwart mitspielen. Wenn man bei youtube „Berbatov“ und „Bayern“ eingibt, dann sieht man den Fußball, den ich mir wünsche. Das ist der Prototyp eines Tores. Die Leverkusener haben von der Mittellinie mit vier, fünf direkten Pässen den Bayern einen reingehauen. Zack, zack, zack – drin! Das ist das Optimum. Das sollen die Leute lernen, ich trainiere daher immer mit Ball, damit alle lernen, mit ihm umzugehen und Spaß daran haben.

Leverkusen ist ihr Verein?

Nein, ich bin kein Vereinsfan. Ich bin das, was man im Volksmund Erfolgsfan schimpft. Ich sehe einfach gern guten Fußball. Wenn ich sehe, dass eine Mannschaft einen guten Ball spielt, dann ist es mir fast egal, ob das nun Wolfsburg oder Union ist.

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