16. Spieltag: Hansa I – FC Treptow II 4:1 (1:1)
Der erste Spieltag nach der Winterpause begann gleich mit einem Dämpfer. Nur wenige Stunden vor dem Anpfiff gegen den FC Treptow II verkündete das interaktive Zentralorgan der Wrangelkicker. „So Jungs, nach reichlich Ärger gestern ist er heute etwas verflogen. Die Passstelle des Berliner Fußballverbandes hat meinen Pass nämlich erst im Februar bearbeitet, obwohl der Pass im Januar eingereicht wurde – was bedeutet: Meine Spielberechtigung läuft zum 31.März an. Schön“, schrieb Jörg Weikardt. „Ach so: Braucht jemand ein fast neues paar Schuhe, nur ein Mal getragen, Größe 44, Nike tiempo?“ Was das im Klartext bedeutet? Nun, der von Hansa 07 vor Jahresfrist verpflichtete Stürmer bleibt vorerst für mehrere Spiele gesperrt, und schlimmer noch: Weikardt weigert sich wohl in Zukunft zum Training kommen. „Ich kenne zwar nicht die Sachlage, aber wir werden auf jeden Fall Beschwerde einlegen“, sagte der 2. Vorsitzende Christian Haberecht. Erste Gespräche sollen bereits laufen. Hoffentlich in beiden Angelegenheiten.
Und weil schlechte Nachrichten gern im Doppelpack auftauchen, musste Hansa auch noch das unentschuldigte Fehlen des Schiedsrichters verkraften. Er kam einfach nicht zur Arbeit. Die kurzfristige Vertretung, ein horizontal herausgeforderter Mann mit bescheidenem Bewegungsradius, hatte sichtlich Probleme, den Überblick zu wahren. Zu willkürlich blies er in seine Pfeife, oft auf Zuruf und im Zweifel nach folgendem Prinzip: Eckball, Abstoß, Eckball, Abstoß, mal für Hansa, mal für Treptow – egal wer zuletzt am Ball war. Aber was pflegt Trainer Ali Ilhan zum beliebten Themenkomplex Schiedsrichter zu sagen: „Es ist egal wer da pfeift, wir reden nicht mit dem Schiedsrichter. Wir konzentrieren uns nur auf unser Spiel.“
Fast in die FuWo-Elf des Tages
Zunächst klappte dies auch vorzüglich. Denn dass Hansa mittlerweile nach geordnetem System kombinieren kann, zeigten ja die guten Resultate in der Rückrundenvorbereitung. Zu Beginn des Spiels gegen Treptow entstanden die Angriffe schon in der Abwehr, das Mittelfeld ließ klatschen (Klatschenlassen, das: schnelle und direkte Ballabgabe), nur die Stürmer Roman Emmerling und Neuzugang Ferdi Sarikurt kamen nicht wie gewohnt zum Abschluss. Und so blieb es dem formidablen Mittelfeldmotor Boris Herrmann überlassen, die Führung für Hansa zu erzielen (28.) – nach überlegtem Querpass von Marcel Rusake. Die verdiente und sehenswerte Führung hatte jedoch nur kurz Bestand: Wenige Minuten vor dem Seitenwechsel unterlief Innenverteidiger Akgün X. Akdogan ein kapitaler Fehler: Anstatt den Ball samt Gegenspieler aus der eigenen Hälfte zu befördern, landete der halbherzige Pressschlag vor den Füßen des verblüfften Stürmers, der noch gefühlte zwei Minuten brauchte, um das Geschenk auch tatsächlich unter Kontrolle zu bringen und aus kurzer Distanz zu netzten. Der fast für die FuWo-Elf des Tages nominierte Torsteher Christian Haberecht war chancenlos. Wirklich dummes Tor – denn plötzlich klappte nichts mehr, Resignation stand den Spielern ins Gesicht geschrieben, die Halbzeit kam den Kreuzbergern sehr gelegen.
„Gedanklich hattet ihr das Spiel schon vor dem Anpfiff mit 10:0 gewonnen“
In der Kabine wurde es laut. Und das zu Recht. „Es ist arrogant wie ihr spielt“, donnerte Ali Ilhan. „Ihr denkt wohl, dass ihr schon in der Landesliga seid.“ Betretenes Schweigen – doch es wirkte: nach der Pause steigerte sich die Mannschaft, und mit Hansa-Veteran Frank Engel kam die Wende. „Zu 80 Prozent gehört das Tor dir“, sagte Engel unmittelbar nach dem Torjubel zum 2:1 (65.). Der Empfänger des Kompliments war Sarikurt, der sich an der Außenlinie gegen mehrere Spieler durchtankte und den Ball in die Mitte schob, wo Engel nur noch die Ecke wählen musste. Mit der Vorarbeit zum 3:1 revanchierte sich Engel jedoch bei Sarikurt: Freistoss, Kopfball, Tor (75.) Es war die Entscheidung. Der letzte Treffer des Tages, gegen einen lange in Unterzahl spielenden Gegner, ging auf das Konto der Treptower: Eigentor zum Endstand von 4:1.
Siegesfeier nach dem Abpfiff? Fehlanzeige! Nach dem ersten Dreier 2008 gab es wahrlich keinen Grund zur Freude. Das ist einerseits gut so, weil die Ansprüche der Wrangelkicker an die eigene Spielkultur gestiegen sind, andererseits brachte es wieder einmal Trainer Ali Ilhan auf dem Punkt: „Gedanklich hattet ihr das Spiel schon vor dem Anpfiff mit 10:0 gewonnen.“ Das sei eben die Quittung für einen überheblichen Auftritt. Fazit vom besten Hanseaten an diesem Tag, Boris Herrmann: „Egal, wir müssen uns jede Woche an drei Punkten aufgeilen.“ Und fürs Phrasenschwein von Kapitän Paul Linke noch einen drauf: „Am Ende der Saison fragt keiner mehr nach dem Wie und Warum gegen Treptow.“
Aufstellung: Haberecht – Linke – Catal (60. A. Selk), Akdogan, Vissers (75. Ciftci) – Herrmann, Yücel, Meiser, Rusake (46. Engel) – Emmerling, Sarikurt.
Tore: 1:0 Herrmann (20.), 1:1 (39.), 2:1 Engel (65.), 3:1 Sarikurt (75.), 4:1 Eigentor (85.)