Einfach mal glücklich sein

11.Spieltag: FSV Hansa II – SV Karow 96 II  2:1 (0:1)

Es gibt Spiele im Leben eines Kreisliga C Kickers, die vergisst man spätestens nach dem zweiten Bier.

Das Duell um Platz 1 am gestrigen Sonntag in der Wrangelritze zwischen den Aufstiegskonkurrenten Hansa II und Karow II gehört definitiv nicht in diese Kategorie. Seit Wochen beherrschte das Spiel die lokalen Gazetten und in den Köpfen der selbstbewussten Wrangelkiez-Kicker mischte sich Vorfreude mit Ungewissheit und einer ordentlichen Portion Anspannung. Karow II hatte sich in den vergangenen Spielen als offensivstarke Einheit präsentiert, die ihre Gegner in schöner Regelmäßigkeit mit ordentlichen Packungen abspeiste. Auch die Tabellenkonstellation barg Brisanz ohne Ende. Hansa stand mit einem Punkt Vorsprung auf Platz zwei und konnte, ebenso wie Karow II, mit einem Sieg den Platz an der Sonne für sich beanspruchen. Für Spannung war also gesorgt.

Um Punkt 12 Uhr pfiff der Unparteische Dennis Bredow das Spitzenspiel an. Karow übernahm zuerst die Initiative, ließ den Ball gut durch die eigenen Reihen laufen und die Offensive mit dem 15 Tore Mann Funk versuchte Akzente zu setzen, fand aber gegen eine leicht nervöse und dennoch gut organisierte Defensive der Hanseaten zunächst kein Durchkommen. Aber auch Hansas Offensive versteckte sich nicht und spielte ebenfalls munter nach Vorne. Schnell wurde deutlich, dass hier zwei Mannschaften mit einer ähnlichen Spielphilosophie agierten. Schnelles Kurzpassspiel gepaart mit leidenschaftlichen Einsatz. Das Spitzenspiel wurde unter den Augen des angereisten Noch-Tabellenführers Berliner Amateure seinem Ruf gerecht.

Nach fünfzehn Minuten dann der erste Schock für die Kiezkicker. Auf der rechten Seite lieferten sich Verteidiger Linke und ein gegnerischer Spieler ein Laufduell, in dessen Verlauf Linke an der Strafraumlinie die Grätsche auspackte. Ein Sturz, ein Pfiff, Elfmeter für Karow II und damit die Chance auf die frühe Führung. Die Hoffnungen im Hansa Tross ruhten nun auf Keeper Lauer. Wagner begrub die Hoffnungen, verlud den Keeper und sorgte mit einem platzierten Schuss für Karows Führung.

Ein erster Dämpfer für die Hanseaten, von dem sich die Männer von Trainer Nutsch aber schnell erholten. Hansa erhöhte nun den Druck. Karows Defensive kam nun in arge Bedrängnis. Ein Schuss von Kai Schumann klatschte nach zwanzig Minuten an die Latte, weitere Abschlüsse verfehlten knapp das Ziel und kurz vor der Pause verpasste „El Tren“ Stankowski nach schöner Vorarbeit von Kahraman mit einem schlecht plazierten Kopfball den mittlerweile verdienten Ausgleich. Karows Offensive versuchte meist über die linke Seite Druck zu erzeugen, gegen eine aufopfernd kämpfende Hansa Defensive war aber meist in Strafraumnähe Feierabend.

Dann war Halbzeit. Enttäuscht über den Spielstand und ob der vergebenen Chancen, ging Hansa II in die Kabine. Dort sprach „the special Nutsch“ seinen Mannen Mut und Zuversicht zu. Karow war zu knacken. Die Kabinenansprache des Trainers verfehlte ihre Wirkung nicht. Hansa glaubte wieder an sich und an den Sieg. Der unbändige Wille diesen Sonntag die Tabellenspitze zu entern, schweißte die Einheit noch mehr zusammen.

Die zweite Halbzeit begann so wie die Erste endete. Hansa machte Druck und suchte das gegnerische Tor ohne dabei in blinden Aktionismus zu verfallen. Karow spürte das die Messe noch nicht gelesen war. Das Spiel wurde härter, der Ton auf und neben dem Spielfeld rauher. Der Schiedsrichter hatte es nicht leicht, allerdings sorgte dieser auch mit einer konsequenten Verweigerung, in einigen Situationen den gelben Karton zu zücken um die Gemüter zu beruhigen, dafür, dass die Härte im Spiel blieb.
Sieben Minuten nach Wiederanpfiff dann der hoch verdiente Ausgleich für Hansa. Eine schöne Ballstafette landete beim starken Kai Schumann, der bediente mustergültig Hasan Bektas, der sich nicht lange bitten ließ und mit einem wunderschönen harten Schuss aus 20 Metern unhaltbar für den Gästetorwart ins Netz traf. 1:1 nach 52 Minuten und Hansa wollte mehr. Von Karows Offensive war nicht mehr viel zu sehen. Zwar kombinierten sie ansehnlich aber es war das alte Spiel. Was kam wurde von Hansas Defensive weggeräumt. Karows Torschütze vom Dienst Funk wurde durch den wiedererstarkten Patrick Kohl vollkommen aus dem Spiel genommen.

Eine Entscheidung lag in der Luft, sehr zum Missfallen der Berliner Amateure, die sich bei einer Punkteteilung als Gewinner des Spieltags hätten fühlen dürfen. Hansa agierte selbstsicher und ließ mit vollem Einsatz Karow kaum zur spielerischen Entfaltung kommen. Der eingewechselte Boris Herrmann brachte noch einmal frischen Schwung und ackerte auf Linksaußen, als gäbe es keinen Morgen mehr. Kai Schumann zog sich auf die ungewohnte und ungeliebte linke Verteidigerposition zurück und brillierte dort mit Kampfgeist und sicherem Passspiel, während Meiser auf der rechten Seite souverän dicht machte. Tucic und Emmerling organisierten elegant und knallhart den Spielaufbau und sorgten mit intuitiver Ballverteilung in die Spitzen dafür, dass Karows Defensive nicht zur Ruhe kommen konnte.

Um 13:32 Uhr meldete der Deutsche Wetterdienst den ersten registrierten Jubeltsunami im südöstlichen Berliner Raum. Verantwortlich für den in Freude versinkenden Wrangelkiez zeigte sich Innenverteidiger und Elfmeterverursacher Paul Linke, der mit einem wunderschönen Lupfer über Karows Keeper in Folge eines Freistoß‘ das entscheidende 2:1 erzielte und danach in einer Jubeltraube unterging. So werden Legenden geboren!

Noch dreizehn Minuten bis zur Tabellenspitze.

Karow warf noch einmal alles nach Vorne. Doch aus dem Spiel hearaus gelang den Gästen nichts und so sorgten zwei Standardsituationen noch für Gefahr. Einen direkt getretenen Freistoß lenkte Keeper Lauer mit der Sonne im Blick über die Latte. Nach einer Ecke kam eine Gästespieler zum Kopfball, doch Keeper Lauer entschärfte diesen mit einer schönen Flugeinlage und bewies damit, dass das Sondertraining mit dem eigens dafür engagierten Landesligatorhüter (Danke Stephan „Du bist der beste“ Mann) eine lohnenswerte Geschichte ist.

Die restlichen Minuten bis zum Anpfiff vergingen in Zeitraffer. Karow schaffte es nicht mehr gefährlich vor das hanseatische Tor zu kommen. Dann erfolgte der Schlusspfiff und ein grenzenloser Jubel überrollte zum zweiten Mal an diesem Nachmittag die Wrangelritze. Trainer Nutsch war sichtlich mitgenommen, aber auch stolz wie Bolle auf das Auftreten seiner Mannschaft. Der am Freitag angelegte Enthaltsamkeitsgürtel wurde noch vor Ort mit einem frischen kühlen Kasten Bier gesprengt. Der Rest war pure Freude und Erleichterung.

Fazit: Karow II erwies sich als spielstarker, robuster und fairer Gegner. Gegen diese spielstarke Truppe wird es jede Mannschaft schwer haben. Hansa II zeigte nach dem frühen Rückstand – wie schon gegen Besiktas – eine starke Moral, drehte das Spiel und belohnte sich dank einer engagierten Leistung mit der Tabellenführung, die es schon am kommenden Donnerstag im Nachholspiel gegen Türkspor zu verteidigen gilt. Chapeau, Hansa Zwo!

Aufstellung: Lauer – Kreischer (66.Herrmann), P.Kohl, Linke, J.Kohl (27.Meiser) – Schumann, Tucic, Emmerling, Stankowski – H.Bektas (89.Strauss), E.Kahraman

Tor/e: 0:1 Wagner (14.,Rechtsschuss,FE), 1:1 H.Bektas (52.,Rechtsschuss,Schumann), 2:1 Linke (77.,Rechtsschuss,Stankowski)

Karte/n: –

Spieler des Spiels: Paul Linke: Gab dem exzellenten Drama ein Gesicht. Erst unglücklich einen Strafstoß verursacht und dann kurz vor Schluss mit einem Traumtor das Spiel entschieden. Darüber hinaus in der Abwehr giftig und zweikampfstark. Ganz großes Kino.

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