6.Spieltag: SV Berliner VB 49 II – FSV Hansa 07 II 0:2 (0:0)
Das Ding kommt von oben, wo die Herbstsonne scheint und wo kein Wind geht an diesem späten Nachmittag in Hohenschönhausen, das Ding – Überraschung! – ist ein Ball. Jetzt senkt er sich, jetzt springt er gleich auf, und jetzt spätestens müsste mal ein Kopf auftauchen, ein Scheitel, eine Strähne wenigstens, aber da ist – Entsetzten! – nichts und niemand, der den Ball wegköpft, wegscheitelt oder wenigstens irgendwohin strähnt. Jedenfalls kein Abwehrspieler.
Die machen lieber Luftsprünge in der Zwischenzeit. Eingesprungene Pirouetten. Gerne mit großem Anlauf und mit noch größeren Augen. Höchstnoten gäbe es dafür, wäre Fußball nicht ein Spiel, bei dem man dieses eigentlich bekannte Ballding auch aus der Luft zum Mitspieler befördern sollte. Oder halt ins Seitenaus, nur so zur Sicherheit, damit kein Fremdstürmer den Abschlag in Empfang nimmt. Doch weil die zweite Werkself der Berliner Verkehrsbetriebe offensichtlich keinen Stürmer hat, der Luftlochgeschenke annehmen kann, blieben – Erleichterung! – diese langen Abschlagdinger folgenlos. Entweder wurden sie von einem Abwehrspielerbein doch noch erfolgreich zweitverwertet oder sie landeten gleich in den Armen von Keeper Rico Selk. Hansa II gewann, verdient, souverän und ohne dem Gegner auch nur eine Torchance gegönnt zu haben, bei der SV Berliner VB 49 II 2:0 (0:0) – und war zumindest für eine Nacht Tabellenführer.
Es stand noch ein zweiter Selk im Team, Keeperbruder Andreas alias Pauli alias der Mann des Tages, der das erste Tor durch Ender Kökyaprak vorbereitet und das zweite – Verwunderung! – sogar selbst erzielt hat. Beim Einsnull stand er klar im Abseits, bekam den Ball Schiedsrichter sei Dank auf dem linken Flügel in den Lauf gespitzelt und stolperte sich bis zur Grundlinie durch. Planlos und an beiden Stürmern vorbei legte er quer und hatte viel Glück, dass Kökyaprak auf Höhe des Elfmeterpunkts gerade nichts Besseres zu hatte, als den Ball flach einzuschieben. „Ein typischer Grundlinienselk“, kommentierte Trainer Marc Nutsch kopfschüttelnd die Szene. Dann notierte er auf einem Stück Zeitungspapier, in der Rubrik Notiz an mich: Das muss Selk noch üben. Und in der Rubrik Report an Ali: Selk ist auf keinen Fall erstmannschaftstauglich.
An dieser harten aber letztlich absolut korrekten Einschätzung änderte auch nicht die spielentscheidende und selbst für die mitgereisten Hanseaten – eine Fotografin, ein Ultra, zwei Warriors, zwei Einwechselspieler, ein Fast-Spieler – kaum entschlüsselbare Szene, als Selk … ja, was eigentlich machte? Erst Stunden später, beim zweiten Bier, sorgte der ungestüme Flügelläufer für Aufklärung. Hier also endlich, was wirklich geschah in Hohenschönhausen: Selk wollte ein wenig Zeit schinden, Hansa II führte ja zu diesem Zeitpunkt mit nur einem Tor, und was heißt das schon, wenn Hansa II mit nur einem Tor führt, außer, dass der Ausgleich immer möglich ist. Selk dachte, bloß kein Risiko. „Der Ball lag plötzlich vor mir“, Prost in die Runde, „da musste ich doch das Ding weghauen.“ Kurioserweise traf Selk aber das Schienbein eines Gegenspielers, der Ball änderte die Flugrichtung und bogenlampe sich in den Winkel. Selk („Das letzte Tor habe ich vor drei Jahren gemacht“) war so geschockt, dass er nicht einmal jubeln konnte.
Und zum Schluss noch ein Blick in die Rubrik Notiz an Ali: Um die Saisonziele unserer Mannschaften nicht zu gefährden, sollten wir darüber nachdenken, Selk in die Dritte zu versetzten.
Aufstellung: E. Selk – Kreischer, Strzoda, Hoffmann, Meiser – A. Selk, Behrendt, Emmerling, Kökyaprak – Engel (59.P.Kohl), Hoss (77.Schumann)
Tore: 0:1 Kökyaprak (73.,Rechtsschuss,A.Selk), 0:2 A.Selk (88.,Linksschuss)
Karten: Meiser, Hoffmann (beide Gelb/Foulspiel)
Spieler des Spiels: Andreas Selk, dessen dynamischer Antritt den Führungstreffer ermöglichte und der mit einem 25-Meter-Hammer in den Winkel den Sieg endgültig einnetzte.
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