von Enrico Selk
Sie gehört zu Hansa wie die knochenharte Wrangelritze oder das ewig lauwarme Wasser der Duschen: die jährliche Mitgliederversammlung im Wirtshaus Max und Moritz. Der Moment an dem Bilanz gezogen wird, an dem den Mitgliedern das Wort erteilt wird und der Verstand Rede und Antwort stehen muss.
Ob es die gutbürgerliche Küche war, oder die Ankündigung, dass die Getränke der Mitglieder auf Hansa gingen – wir werden es wohl nie erfahren. Fakt ist jedoch, dass der Negativtrend der letzten Jahre gestoppt wurde und trotz lausig kaltem Wetter wieder mehr Vereinsmitglieder den Weg in die Oranienstraße 162 gefunden hatten. Und so kamen am letzten Freitag (16.03.2018) etwa 30 HanseatInnen zusammen und schenkten zunächst dem ersten Vorsitzenden Dr. Christian Haberecht Gehör, der die MV mit dem obligatorischen Bericht des Vorstandes eröffnete.
Haberecht berichtete von der Konsolidierung der Mitgliederdatei (Hansa hatte am 1.1.2018 genau 839 Mitglieder), von einer weiteren Steigerung der Einnahmen (Hansa hat das Jahr 2017 mit einem Plus abgeschlossen) und von den sportlichen Erfolgen der verschiedenen Teams (nach turbulenten Vorjahren sitzen die einzelnen Teams in ihren Ligen wieder fest im Sattel). Sorgenkind ist und bleibt jedoch Hansas Infrastruktur. Neben den Dauerthemen Hallensanierung und mieserable Duschsituation, hat nun auch die Wrangelritze selbst den Unmut der Vereinsmitglieder auf sich gezogen. Stein des Anstoßes ist ein mittlerweile fast fußballgroßes Loch am Elfemeterpunkt und die davon ausgehende Gesundheitsgefährdung sowie die drohende Unbespielbarkeit des Platzes. Der Vorstand und Vereinsmanager Nutsch wiesen nochmal auf die besonderen Eigentumsverhältnisse, die Verwaltung der Wrangel durch die Berliner Immobilienmanagement GmbH und die schwierige Kommunikation mit selbiger hin. Es wurde vereinbart, hier den Druck auf die Entscheidungsträger nochmal zu erhöhen und auf eine zeitnahe Lösung hinzuarbeiten.
Dem Bericht des Vorstandes folgt in der Regel der Bericht der Kassenprüfer. Die Kassenprüfer um Detlev Oßenkopp waren leider aus verschiedenen Gründen abwesend, richteten aber schriftlich aus., dass sie eine einwandfrei geführte Vereinskasse vorfanden und somit die Entlastung der Vorstandes empfehlen. Die anwesenden Mitglieder folgten dieser Empfehlung und entlasteten den Vorstand einstimmig. Im Anschluss daran wurde das Wort einem besonderen Gast an diesem Abend erteilt. Gerd Liesegang, Vizepräsident des Berliner Fußball Verbandes, ergriff das Wort um ein paar Grußworte an die Anwesenden zu richten. Liesegang, selbst Ur-Kreuzberger, verwies auf die lange Geschichte der FSV Hansa 07, auf die große Bedeutung, die dieser Verein bereits in seiner Jugend für den Kiez rund um die Wrangelstraße hatte. Er berichtete von Derbies gegen seinen Verein BBC Südost vor mehreren hundert Zuschauern sowie von der Zeit in den 80ern als Hansa quasi tot war, ohne Struktur und der Auflösung nahe. Umso mehr sei er beeindruckt von der Entwicklung der letzten Jahre, von dem Engagement zur Förderung des Mädchen- und Jugendfußballs, von den vielen sozialen Projekten und der Außendarstellung des Vereins – Stichwort: Fairtrade Bälle. Er wünsche sich, so Liesegang abschließend, dass die Menschen sich wieder bewusst werden, dass sie in Vereinen wie Hansa 07 nicht nur Menschen finden, die bereit sind ihre Freizeit zu opfern, um anderen die Teilhabe Fußball zu ermöglichen sondern auch Freunde, mit denen es sich sich lohnt, seine Freizeit zu verbringen.
Es wurde aber nicht nur berichtet und gegrüßt an diesem Freitagabend, sondern auch gewählt. Vorstandswahlen standen an. Hierfür wurde zunächst eine Änderung der Vereinssatzung vorgenommen, denn der Vorstand umgebaut werden. Aufgrund der hauptamtlichen Position des Vereinsmanagers ist der Vorstandsposten „Geschäftsführer’/-in“ nicht mehr notwendig. Es soll stattdessen eine weitere stellvertretende Jugendleitung geben. Dadurch wird dem in den letzten Jahren deutlich gestiegenen organisatorischen Aufwand im Jugendbereich Rechnung getragen. Darüber hinaus sollen bis zu vier weitere Vorstandsmitglieder gewählt werden dürfen, um flexibel auf mögliche InteressentInnen reagieren zu können, die sich für Hansa engagieren wollen. Nach einer kurzen Diskussion über das Für und Wider einer gefühlt überproportional vertretenden Jugendabteilung wurde der Vorschlag des Vorstandes bei einer Gegenstimme angenommen. Im Anschluss kam es sodann zu den lang erwarteten Vorstandswahlen. Unter der Wahlleitung von Pascal (Bundes) Meiser wurde zunächst über den so genannten BGB-Vorstand abgestimmt, der den Verein nach außen hin vertritt. Hier stellte sich Dr. Christian Haberecht (1. Vorsitzender) ebenso erfolgreich zur Wiederwahl wie Barbara Messow (stellvetretende Vorsitzende) und Daniel Schlomach (Vorstand für Finanzen).
Für die Jugendabteilung traten erneut Yasmin Ranjbare (Leitung) und Johanna Suwelack (Stellvertretung) sowie der neu hinzustoßende Thomas Nassauer (Stellvertretung) an. Alle drei KandidatInnen wurden von den Anwesenden ebenso in den Vorstand bestätigt wie Enrico Selk, der für weitere zwei Jahre den Vorstandsposten für Öffentlichkeitsarbeit bekleiden wird. Besonders erfreulich war, dass an diesem Abend mit Alice Drouin, Maria Spiering und der kurz entschlossenen Maria Ketteler gleich drei der vier weiteren Vorstandsposten besetzt werden konnten und in den kommenden zwei Jahren sage und schreibe sechs Frauen im Vorstand vertreten sein werden. Ein Ergebnis, auf dass der Verein zu recht stolz sein kann, spiegelt er doch die gestiegene Bedeutung des Frauen- und Mädchenfußballs inner- und außerhalb des Verein wieder. Aber es gab auch einen Abschied zu beklagen. Lars Bachmann scheidet nach vier Jahren Tätigkeit als Geschäftsführer aus dem Vorstand aus. Und das nicht etwa, weil sein Posten des Umbaus zum Opfer viel sondern auf eigenen Wunsch. Job, Familie, Pulmon Negro und Hansa unter einen Hut zu bringen geht eben nicht bis in alle Ewigkeit. An dieser Stelle nochmals ein dickes Dankeschön, Lars. Für all die offenen und anregenden Diskussion, die Unterstützung und vor allem die Zeit, die du für Hansa investiert hast.
Mit der Abstimmung über den Etat für das Jahr 2018 bog der Abend auf die Zielgerade ein. Hansaüblich wurde sich wieder mal Stück für Stück durch die einzelnen Posten gearbeitet, kritische Rückfragen inklusive. Egal ob es um die Kosten der Umkleidecontainer oder die Ausstattung der Geschäftsstelle ging, gab es Redebedarf und wurde der Stimmzettel gehoben. Es war ein bisschen so, als stünde diese Debatte stellvertretend für all das, was einen Verein im allgemeinen und Hansa im besonderen ausmacht: sich einbringen, kritisch sein, miteinander diskutieren und am Ende eine Entscheidung treffen und diese gemeinsam tragen. Und das immer und immer wieder. Von der Mitgliederversammlung 2018 bleibt deshalb vor allem die Erkenntnis hängen, dass wieder mehr Vereinsmitglieder genau darauf Lust zu haben scheinen. Und das ist von allen Botschaften an diesem Abend vielleicht die wichtigste und die schönste.