16.Spieltag: FSV Hansa 07 II – SSC Südwest II 4:3 (2:2)
Es scheint das letzte unbewiesene Naturgesetz zu sein. Wenn Hansa II den Platz betritt, dann reißt die Wolkendecke auf, dann fällt erstmals Sonne in die Wrangelritze, und Kreuzberg lacht. Pünktlich. Punkt zwölf. Danach konnte man zuletzt immer die Uhrzeit stellen. So auch am vergangenen Sonntag, an dem allerdings vier Hanseaten fast den sonnigen Anstoß gegen Südwest II verpasst hätten. Offenbar wussten sie noch nicht, dass selbst Naturgesetze sich an die Zeitumstellung halten.
Für die Verspätung bekommt Steffen Inkasso Moskau Hoffmann übrigens vier mal zwei Euro. Und natürlich bleibt der gestrenge Geldeintreiber weiterhin sein bester Kunde, was aber der Mannschaftskasse guttut, die dann wiederum an irgendeinem vielleicht nicht mehr ganz so fernen Aufstiegstag der Teamstimmung guttun wird.
Die Teamstimmung hatte ja zuletzt ein wenig gelitten unter der eher mageren Fußballkost, die Hansa II seit der Winterpause anbietet. Unzufriedenheit hatte sich breit und breiter gemacht, immer wieder waren Anspruch und Realität lautstark aneinandergeraten, auch im Training. Am Sonntag nach dem 4:3 (2:2) gegen den Tabellensiebten aus Steglitz war jedoch vieles vergessen. Hansa II spielte, wie soll man es anders sagen, endlich wieder Fußball, und so wie man ihn mag: schnell, direkt, aggressiv. Aber nicht von Anfang an.
Erst waren sich die Verteidiger Hoffmann und Paul Linke nicht einig, wer den Langen Hafer aus Steglitz ernten sollte, was zum 0:1 nach nur vier Minuten führte. Dann, nach vier weiteren Minuten, wollte Linke am Sechzehner dribbeln, statt einen Abpraller wegzuhauen, was Trainer Marc Nutsch die Zornesröte ins Gesicht trieb und das zweite Gegentor zur Folge hatte. Ein kroatischer Fußballkenner kommentierte hinterher: „Der hält sich manchmal für den coolsten Rechtsverteidiger der Kreisliga C.“ Trainer Nutsch sagte: „Das Tor muss ich nicht kommentieren.“
Es dauerte nur wenige Minuten, da fand Hansa II endlich ins Spiel und presste den Gegner auf seine wahre Spielstärke zurück. Plötzlich hatte Südwest keine Zeit für den Spielaufbau von hinten, keinen Raum im Mittelfeld und vorne gar keine Chance mehr, den Ball auch nur annähernd gefährlich zu machen. Und so kam, was kommen musste. Der Anschlusstreffer durch Kai Schumann (21.) entsprang einer hübschen Kombination über den rechten Flügel. Und den zu diesem Zeitpunkt (36.) längst überfälligen Ausgleich erzielte Engin the Engine Kahraman per Freistoß. Und fast hätte Linke nach einer Ecke noch das 3:2 erzielt, wäre da nicht dieser Pfiff gewesen nach einem angeblichen Foulspiel des sehr umtriebigen Debütanten Bill Köhntopp – der unbedingt noch einen Spitznamen braucht. Pause.
Und jetzt eine Rückblende. Am Samstagnachmittag hatten sich Uh Ah Ben Fischa und Rico Selk Mcbain getroffen, um ein Transparent zu basteln – für Keeper Dirk Digga Lauer, der sich in Adlershof das Handgelenk gebrochen hatte beim Versuch, kein Keeper mehr zu sein. Seitdem heißt er The One Hand Wonder und ist für den Rest der Saison zum Zuschauen verdammt. Was er dann sah, nachdem auch er die Zeitumstellung verinnerlicht hatte, stand auf Tapete geschrieben und schmückte die Südkurve in der Wrangelritze: NUR FÜR DICH, DIGGA! Ein Unentschieden war damit nicht gemeint.
Zweite Halbzeit. Es lief jetzt noch besser. Was vor allem am bestens aufgelegten Mittelfeld der Hanseaten lag. Im Zentrum gewann Roman Capitano Emmerling grob geschätzt 1907 Kopfbälle und grätschte, bis das Blut kam. An seiner Seite verteilte André the Croatian Temptation Tucic die Bälle, elegant sah das zuweilen aus, wie er im hohen Bogen die Flügel wechselte. Und dort standen Schuman und Paul el Tren Stankowski, die die Steglitzer Verteidigung schnörkellos niederwalzten. Das 3:2 (50.) erzielte die Flügelzange im Zusammenspiel, das 4:2 (62.) durch den Tagesbesten Schuman hatte Köhntopp schön aufgelegt. Das Spiel war gelaufen. Eigentlich.
Eine Viertelstunde vor dem Spielende segelte mal wieder so ein langer Ball vor die Füße der nun vollkommen unterforderten Abwehrkette. Linke hätte ihn klären können, Keeper Selk hätte ihn haben müssen. Doch weil Fußball noch nie im Konjunktiv funktioniert hat, stand es plötzlich nur noch 4:3 – und Kreuzberg lachte nicht mehr. Um es nicht spannender zu machen, als es tatsächlich war: Es passierte nichts mehr, außer: Spitzenreiter! Spitzenreiter! Hey! Hey! Was zu beweisen war.
Aufstellung: Selk – J. Kohl, P. Kohl, Hoffmann, Linke – Schumann, Tucic, Emmerling, Stankowski (78.Hoss) – E.Kahraman, Köhntopp (72.H.Bektas)
Tor/e: 0:1 Heise (4.,Rechtsschuss), 0:2 Janke (8.,Rechtsschuss), 1:2 Schumann (23.,Linksschuss,Linke), 2:2 E. Kahraman (36.,Rechtsschuss,direkter Freistoß), 3:2 Stankowski (50.,Rechtsschuss,Schumann), 4:2 Schumann (62.,Linksschuss,Köhntopp), 4:3 Janke (76.,Rechtspieke)
Karte/n: Köhntopp (gelb/Foulspiel)
Spieler des Spiels: Kai Schumann – der mit drei Scorerpunkten maßgeblich an der Wende im Spiel beteiligt war, viel gearbeitet und sich die Auszeichnung so redlich verdient hat.
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