Drei Punkte! – Ach nee…doch nicht.

22. Spieltag: FSV Hansa 07 – SV Blau Gelb Berlin 2:3 (1:0)

Jean-Paul Sartre, der mit Fußball ungefähr genauso viel zu tun hat, wie Angela Merkel mit der Anti-Atomkraftbewegung, hat einmal gesagt, dass sich im Spiel alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft verkompliziert. Wir haben heute gelernt: Es bedarf nicht unbedingt der Anwesenheit eines anderen Teams. Verkomplizieren kann man es auch selbst. Und sich schlagen sowieso.

Eigentlich lief zu Beginn alles nach Plan. Weder der nächtliche Stundenverlust noch die morgendliche Frische konnten Hansa merklich beeindrucken. Trainer Wegerhoff hatte das Team gut auf- und eingestellt. Die 2:3 Niederlage aus der Hinrunde war noch gut in Erinnerung, aber kein Grund zur Sorge. Die Abwehrkette aus den Routiniers Trzewick, Messow, Kaapcke und Pracht vor Torhüterin Wittenburg versprach Sicherheit, ebenso die Doppelsechs Drouin-Heinicke. Das offensive Mittelfeld aus Behre, Abascal Sanchez de Molina und der Debütantin Krüger sollte hinter Stürmerin Kanter das Spiel nach vorn gestalten. Und genau das passierte auch: Nach fünf Minuten und zwei ersten gefährlichen Angriffen über die rechte Seite wehrte Blau Gelb eine Hereingabe zu kurz ab, was die lauernde Drouin eiskalt ausnutzte, um den Ball sicher mit einem strammen Rechtsschuss aus 15 Metern ins Tor zu befördern. 1:0 Hansa.

Und Hansa wollte mehr, kombinierte, bestimmte so die Anfangsphase fast nach Belieben und ließ Blau Gelb nicht ins Spiel kommen. Immer wieder machte Krüger im vielversprechenden Zusammenspiel mit Drouin über rechts Druck und brachte lehrbuchreife Flanken in den Strafraum. Auch das restliche Mittelfeld kam so langsam ins Spiel, Abascal Sanchez de Molinas Pass in Minute 14 allerdings auf Behres linken Fuß, die den Ball nur unglücklich verwerten und am linken Außenpfosten vorbei eiern konnte. Eine Minute später setzte Kanter nach – dieses Mal ging der Ball nicht links vorbei, sondern oben drüber. Zwei Angriffe binnen weniger Minuten – für Blau Gelb der Weckruf.

Es kam, wie es kommen musste. Blau Gelb fing an, mitzuspielen. In Minute 18 verlor Messow den Zweikampf. Wittenburg parierte ein Mal und Wittenburg parierte ein zweites Mal. Dankbar für ihre Frau zwischen den Pfosten spielte Hansa stoisch weiter und durchaus ansehnlichen Kombinationsfußball. In den Minuten 26 und 33 war es dann erst Krüger – die aus guter, halbrechter Schussposition -, im Anschluss Kanter – die im Nachschuss – an der Torwärtin scheiterte. Kurz vor Ende der zweiten Halbzeit war es, wie schon zweimal zuvor, ein langer Ball, der die Hansa-Abwehr und Torwärtin Wittenburg in Bedrängnis brachte. Der Pfosten rettete die Führung pünktlich zum Halbzeitpfiff.

Wegerhoffs Kabinenansage fiel dementsprechend eindeutig aus: „Hier ist noch nichts gewonnen. Also, weitermachen und nachsetzen!“

Gesagt, getan. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff setzte sich Behre auf der linken Außenbahn durch. War ihr bis dahin nur wenig gelungen, machte sie aus der Not eine Tugend und lief mit dem Ball mehr oder weniger denselben Weg wie erst kürzlich im Spiel gegen Schöneberg. Nur der Abschluss variierte, das Ergebnis war dasselbe: Der Ball ging rechts, halbhoch ins Tor. 2:0 Hansa. Drei Punkte waren drin.

Doch anstatt die Führung zu verwalten oder auszubauen, überließ Hansa den Blau Gelben aus Pankow zusehends die Partie. Fehlende Entschlossenheit im Torabschluss, mangelnde Laufbereitschaft im Mittelfeld, individuelle Fehler in der Abwehr häuften sich: Die in der zweiten Halbzeit für die defensiv stabile Trzewick eingewechselte Fugger berührt im Strafraum unglücklich den Ball. Elfmeter für Blau Gelb: Wittenburg pariert einmal mehr herausragend. Nur drei Minuten später ist es wieder Wittenburg, die die Null fest in ihren Händen hält.

Im weiteren Spielverlauf entschied sich Trainer Wegerhoff dann zum Umstellen. Heinicke rückte als zweite Spitze auf. Die bis dahin effektiv agierende Doppelsechs wurde aufgelöst, was das Team sichtlich zu verunsichern schien. Dann ging alles ganz schnell: ein bisschen aus dem Nichts, aber vor allem unhaltbar für Wittenburg netzte Blau Gelb ein. Anschlusstreffer. Hansa mahnte sich selbst zur Ruhe, wollte nachlegen. Doch erneut entschied Blau Gelb einen Abwehrfehler Hansas für sich. Zu diesem Zeitpunkt standen die Pankowerinnen verletzungsbedingt schon nur noch zu zehnt auf dem Platz. Trotzdem kam es in Minute 71 zum Ausgleich. Unfassbar, aber wahr. Hansa reagiert und wechselt: Gugel kommt für Heinicke. Ein paar Ballzüge später platziert Blau Gelb den Ball – unerreichbar für Wittenburg – gekonnt ins obere, rechte Toreck. 2:3.

Gegen Ende drückte Hansa noch einmal auf den Ausgleich. Doch das Spiel war entschieden, der Schiedsrichter pfiff eine für Hansa unglückliche, aber überaus faire Partie ab. Die Enttäuschung und Fassungslosigkeit in den Gesichtern des Trainers, der Fans, aber vor allem des Teams war unübersehbar. Eine Lehrstunde. Was wohl Jean-Paul, der alte Existenzialist, dazu gesägt hätte? Wahrscheinlich irgendetwas mit Transzendenz, Ego und Sein. Vielleicht aber auch einfach nur: “C’est la vie.“

Aufstellung: Wittenburg – Trzewick (46.Fugger), Messow, Kaapcke, Pracht – Heinicke (73.Gugel), Drouin, Behre, Abascal Sanchez de Molina (82. Feldt),
Krüger – Kanter

Fazit: Krüger mit starkem Debüt im Hansatrikot. Im Ganzen eine der besten Teamleistungen der Saison (nur die drei Punkte, die fehlen)

Spielerin des Spiels: Jennifer Wittenburg – Elfer gehalten, alles gegeben, tadellos.

(Autorin: Johanna von Behrléans)

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