Des Trainers Befehle

11. Spieltag: Fortuna Biesdorf – FSV Hansa 07 1:4 (0:1)

Trainer sind Dikatoren. Müssen sie vielleicht auch sein. Der oberste deutsche Jogi drückte das kürzlich so aus: “Es wird keine Diskussion. Ich werde Dinge ansprechen und informieren.” Als Hansa-Keeper Christian Haberecht etwa 45 Minuten vor Spielbeginn auf der A115 durch den Grunewald zurück in die Stadt hinein raste, erreichte seine Beifahrerin die unmissverständliche Aufforderung des Trainers: “Seid in 15 Minuten hier!”. Dieses “hier” befand sich allerdings im tiefsten Berliner Osten, genauer gesagt in Biesdorf, und der Befehl des Trainers entpuppte sich als deutlich anspruchsvoller, als die gewöhnlichen Aufgaben (flach spielen, hoch gewinnen). Die ein oder andere Baustelle und rote Ampel sorgte schließlich dafür, dass Haberecht rund 5 Minuten nach dem vorgesehenen Anpfiff am Platz eintraf. Immerhin waren Gegner und Schiedsrichter so freundlich gewesen, noch einige Minuten auf den angekündigten elften Hansa-Spieler zu warten, und so sprintete Haberecht noch mit offenen Schuhen und notdürftig für den Job zwischen den Pfosten bekleidet in dem Moment auf den Platz, als “Capitano” Linke gerade des Team im obliatorischen Kreis auf das Match einschwor.

Nach fünf Stunden Schlaf und fünfeinhalb Stunden Autofahrt reichte die Kraft des Hansa-Schlussmannes dann nach wenigen Minuten sogar noch für einen Abschlag auf Jörg Weikardt, dessen Kopfballverlängerung genau im Lauf von “Joe” Öktem landete. Dieser lupfte den Ball schließlich gekonnt über den Biesdorfer Torwart und schon stand es 1:0 für die Freie Sport-Vereinigung aus Kreuzberg. Durchaus überraschend, es war die erste Hansa-Chance, die Anfangsphase gehört klar den Ost-Berlinern. Auch die frühe Führung brachte keine Sicherheit in die Hansa-Aktionen, im Gegenteil. Biesdorf diktierte das Geschehen und kam zu klaren Chancen: In Minute zehn tauchte ein Biesdorfer Stürmer frei vor Haberecht auf, der aber mit einem starken Reflex retten konnte. Auch einen tückischen Aufsetzer einige Minuten später konnte er zur Ecke klären – offensichtlich hatte sich auf der Wettfahrt gegen die Uhr und quer durch die Republik so einiges an Adrenalin aufgestaut und tat nun sein Übriges.

Hansa bekam die Partie gegen den Gegner aus untersten Tabellenregionen aber nicht in den Griff, auf dem nassen und rutschigen Boden kombinierte Biesdorf stark, während im Hansa-Mittelfeld “Carajo” Gorelik zu oft auf sich alleine gestellt war. Immerhin kämpferisch bemühte man sich dagegen zu halten, vor allem Schachner ging hier wie gewohnt mit bestem Beispiel voran. Die Außenspieler Huber und Dumam hingen aber meist in der Luft und aus der Abwehr heraus gelang kein geordneter Spielaufbau. Oft genug war man froh den Ball einfach aus der Gefahrenzone schlagen zu können. Da aber Biesdorf im weiteren Verlauf auch nicht mehr zu den ganz großen Chancen kam, ging es nach 45 Minuten mit einem glücklichen 1:0 für Hansa in die Kabine.

In der Pause empfingen die Hanseaten zahlreiche neue Instruktionen und Befehle aus dem Hause Ilhan. Doch auch nach Wiederanpfiff drängte Biesdorf auf den Ausgleich, blieb zunächst aber wenig zwingend. Offensichtlich hatten die Biesdorfer aber die Windverhältnisse besser analysiert als die Hansa-Spieler. Während die Kreuzberger sich in der Halbzeit noch stritten, ob man nach Wiederanpfiff mit oder gegen den mitunter stürmischen Wind spielen musste, hatten die Ostberliner Wetterfrösche bereits aus “Wind von der Seite” erkannt und machten sich dies zu Nutze: Nach einem langen Einwurf samt Kopfballverlängerung zielte der Biesdorfer Stürmer bei seinem Drehschuss nämlich clevererweise rund zwei Meter neben das Tor, um dann zu beobachten, wie der zusätzlich angeschnittene Ball vom starken Wind doch genau in den Winkel gedrückt wurde. Hut ab.

Entgegen so manchem Hansa-Auswärtsspiel weckte der Gegentreffer dieses Mal aber erst recht den Kampfgeist der Hansa-Spieler. Die meisten Aktiven gaben später zu Protokoll auch nach dem Ausgleich an den Sieg geglaubt zu haben. Erstaunlich, wo man doch bisher die schlechtere Mannschaft war. Und doch, Hansa übernahm tatsächlich die Initiative. Insbesondere die beiden Stürmer Öktem und Weikardt drehten nun mächtig auf und setzten den Biesdorfern zu, was schließlich auch belohnt wurde. Schön von “Joe” Öktem freigespielt fand sie Jörg Weikardt alleine vor dem Heimtorwart wieder und verwandelte eiskalt zur erneuten Führung. Und als wenig später Öktem mit einem satten Linksschuss auf 3:1 erhöhte, war der Biesdorfer Widerstand schon gebrochen und kontrollierte Hansa weitgehend das Geschehen. Schließlich gelang es Weikardt mit dem siebten Hansa-Stürmertor in Serie sogar noch das 4:1, was dem Spielverlauf dann doch nicht mehr gerecht wurde. Biesdorf war über lange Zeit die bessere Mannschaft und versäumte in der ersten Hälfte aus der Überlegenheit Kapital zu schlagen. Dies bestrafte Hansa in der letzten halben Stunde eiskalt und gewann daher letztlich verdient – wenn auch sicher ein Tor zu hoch. Was nachher auch Trainer Ilhan ganz gewiss nicht störte. Denn immerhin ein Befehl war an diesem Sonntag befolgt worden. Nämlich der, endlich den ersten Auswärtssieg einzufahren.

Aufstellung: Haberecht – Catal (70. A. Selk), Karayel, Linke, Schachner – Huber (60. Yücel), Gorelik, Duman –  Öktem, Weikardt, Kahraman (46. Akdogan).

Tore: 0:1 Öktem (7., Linksschuss, Weikardt), 1:1 (63.), 1:2 Weikardt (68., Rechtsschuss, Öktem), 1:3 Öktem (73., Linksschuss, Duman), 1:4 Weikardt (78., Rechtsschuss, Akdogan)

Karten:Kahraman, (gelb, kräftiges Foulspiel), Öktem (gelb, Foulspiel).

Hansa-Spieler des Spiels: Ercan “Joe” Öktem – sein bisher bestes Spiel für Hansa, zudem mit zwei ganz wichtigen Toren.

Besondere Vorkommnisse: Yücel bindet Torwart Haberecht die Schuhe zu (3.).

Aktueller Tabellenplatz: 7.

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